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Ein Stück Wald in Nauen ist in GefahrZustand verschlechtern ist verboten

Die Kleinstadt Nauen nahe Berlin hat einen Gemeindewald. Ein Drittel davon steht unter Naturschutz. Das macht die Sache schwierig – und einfach.

Brandenburg: in Grünheide musste Wald für Tesla weichen – in Nauen steht er (meist) noch Foto: picture alliance/Fabian Sommer/dpa

D ie Stadt Nauen nahe Berlin hat einen Gemeindewald. Auf nauen.de befindet sich eine Liste mit Leistungen, die „ihr Stadtforst“ erbringt: „Industrieholz für Zellstoff und Faserplatten / Brennholz für den Hausbedarf / Praktikantenausbildung / Erholungs- und Schutzleistungen / Realisierung von Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen / Totholz sowie Horst- und Höhlenbäume für die Tierwelt / Bestattungsmöglichkeit in der Natur.“

Das ist viel Leistung für so einen kleinen Stadtforst (1.100 Hektar), bei dem auch noch ein Drittel unter Naturschutz steht: das FFH-Gebiet Leitsakgraben – ein Schutzgebiet laut Fauna-Flora-Habitatrichtlinie. Und dort gilt ein „Verschlechterungsverbot“: Im „Lebensraumtyp 9160“, d. h. in einem Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald darf die Forstverwaltung nicht einfach eine Kiefernplantage anlegen. In der FFH-Richt­linie heißt es dazu in Art. 6 Abs. 2, dass „Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen sind, zu vermeiden sind“.

Zwischen einigen Bürgern und dem Stadtförster kam es deswegen in Nauen zu einem Konflikt. Der von dort stammende Student der Umweltwissenschaften, Tobias Mainda, hatte den starken Eindruck, dass das FFH-Gebiet „zum reinen Holzlieferanten der Stadt Nauen verkommen ist“, und bat die Euro­päische Kommission, Generaldirektion Umwelt, um Rechtsauskunft. „Umsetzung und Vollzug europäischen Rechts sind grundsätzlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten“, wurde ihm geantwortet. Konkret waren das in diesem Fall das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie das Bundesamt für Naturschutz. Aber beide verwiesen ihn an die Behörde vor Ort.

Also erstattete er dort – d. h. bei der Staatsanwaltschaft Potsdam – Strafanzeige gegen den Förster Thomas Meyer wegen „Vergehen nach dem Bundesnaturschutzgesetz“. Der zuständige Staatsanwalt Kukuk sah jedoch von der Einleitung eines Ermittlungsverfahren ab, mit der Begründung, dass „die Rodungen als Grundlage für die Wiederaufforstung durchgeführt worden sind und somit der Wiederherstellung des FFH-Gebietes dienten“.

„Quasi ein Kahlschlag“

Tobias Mainda schaute sich zusammen mit dem Biologen Jens Esser von der „Entomologischen Gesellschaft Orion-Berlin“ das FFH-Gebiet Leitsakgraben noch einmal genauer an. Es hat die EU-Nummer DE 3343-301, zum Erhalt seiner Lebensraumtypen, insbesondere Eichen-Hainbuchenwälder und Erlen-Eschen-Wälder, dient ein Managementplan. Dessen ungeachtet wurden dort Eichen in Furnierqualität gefällt, „quasi ein Kahlschlag“, und Stieleichen sowie Hainbuchen langsam „durch gepflanzte Lärchen und aktuell durch Kiefern verdrängt“. Die außerdem gepflanzten Douglasien, die angeblich der Klimaerwärmung und Trockenheit trotzen, „schwächeln und sind nicht schädlingsfrei“.

In einem Leserbrief an die Lokalzeitung kritisierte Esser Nauens Stadtförster Meyer, der gemeint hatte, der Eichbockkäfer würde die Eichen töten: „Es gibt nicht nur einen, sondern zwei Eichbockkäfer-Arten“ – einen „Großen“ und einen „Kleinen“, beide sind bundesweit besonders geschützt, der Große ist es zusätzlich noch EU-weit. Die Entfernung von besiedelten Bäumen stellt somit schon mal „einen Verstoß gegen deutsches Artenschutzrecht dar“.

Wahrscheinlich lebte auf den dann gefällten Eichen der Kleine Eichbock, der auf abgestorbenen Stämmen oder Stark­ästen siedelt. „Durch die Fraßtätigkeit der Larven verliert das Holz an Verkaufswert, gewinnt aber ökologisch ungemein. Zumindest Wrsteres dürfte Herrn Meyer nicht gefallen. Den großen Eichbock findet man in Brandenburg nur noch sehr vereinzelt – „ein Werk vieler Generationen von Förstern“.

Was konnte man noch tun, um das kleine Nauener FFH-Gebiet zu erhalten? Vom Naturschutzbund kam eine gute Nachricht: Im Fauna-Flora-Habitat Leipziger Auwald ließ das Forstamt Bäume fällen, ohne zuvor eine „Verträglichkeitsprüfung“ durchgeführt zu haben. Die Grüne Liga Leipzig brachte das bis vor das Oberverwaltungsgericht Bautzen, das im Juni 2020 auch alle Fällungen im Auwald erst einmal untersagte. Die Anwältin der Naturschützer, Franziska Heß, freute sich: „Die Bedeutung der Entscheidung ist kaum zu unterschätzen“ – auch für das FFH-Gebiet im Nauener Stadtwald?

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Autor
geb. 1947, arbeitet für die taz seit 1980, Regionalrecherchen, ostdeutsche Wirtschaft, seit 1988 kulturkritischer Kolumnist auf den Berliner Lokalseiten, ab 2002 Naturkritik.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Im Januar 2020 konnte man die Naturschutztruppe im FFH- Gebiet beobachten, wie sie mit Motorsensen das Schutzgebiet bearbeiteten um es nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Die Maßnahme wurde dann auch noch auf Facebook gebührend gefeiert. Nicht nur, daß damit Werbung für einen Motorsensenhersteller gemacht wurde( natürlich im Sinne des Naturschutzes) es wurde während der natürlichen Ruhepause für Natur und Insekten das geschwächte Habitat gehäckselt und zusammengestutzt. Nach der Aktion sah es aus wie der gestutzte Vorgarten meiner Nachbarin. Nabu “ Excursion Leitsakgraben 4.1.20”

    • @97287 (Profil gelöscht):

      Lieber Herr Rohm,

      herzlichen Dank für Ihr Interesse am FFH-Gebiet Leitsakgraben. Leider muss ich aber feststellen, dass Sie sich mit der Materie überhaupt nicht auseinandergesetzt haben. Dann wüssten Sie nämlich, dass auf dieser Wiese viele seltene Pflanzen wachsen. Die Seltenheit rührt daher, dass diese Pflanzen gegenüber Gräsern und Co., also Pflanzen, die bei einem hohen Nährstoffgehalt schneller wachsen, absolut in Bedrängnis geraten. Früher gab es viele kleine landwirtschaftliche Betriebe, es gab zudem weniger Nährstoffeinträge (da weniger Dünger Vieh etc. vorhanden). Somit gab es immer irgendwo Flächen, die für seltene Pflanzenarten geeignet sind. Aber die Zeiten haben sich geändert. Jetzt gibt es GRoßbetriebe mit riesigen Schlägen und Maisfelder bis zum Horizont, der mehrfach im Jahr gegüllt wird. Das ist auch nicht gerade gut, aber ein anderes Thema. Jedenfalls mähte man auf dieser besagten Fläche, am 04.01.2020, händisch den Aufwuchs ab, damit Licht und Luft an den Boden gelangen können und die entsprechenden Pflanzen im nächsten Jahr wieder wachsen können. Naturschutz ist immer ein Zielkonflikt. Und natürlich sieht die Fläche nach der Mahd nicht sonderlich einladend aus. Dafür aktuell umso mehr. Anders als der Nauener Stadtwald. Dort können Sie sich jetzt sonnen. Es erinnert ein bisschen an Abholzungen in Brasilien und Indonesien.

      Spitze Kommentare sind gut, aber Ahnung sollte man schon haben!

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @Stenus:

        Wer jemals mit der Motorsense gearbeitet hat weiß was er damit im Januar anrichtet. Sie möchten den Zustand vor dem 30- jährigen Krieg wiederherstellen, vor der Melioration, das schaffen sie nicht mit der Motorsense, dafür braucht man Zeit. Was im Januar hingerichtet wurde war der Rückzugsraum für Insekten, zusammengerecht und entsorgt, von Pionierpflanzen ganz zu schweigen.

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @Stenus:

        Seit 25 Jahren wurde dort weder Mais noch sonst was angebaut, jedenfalls hab ich das nicht beobachtet. Im Nauener Stadtwald gibt es ganze Schläge , die durch Windwurf 2018 und 2019 flachgelegt wurden. Das Holz das danach rausgeholt wurde war nicht verkäuflich, es liegt jetzt noch auf Poltern und wird nicht abgeholt. Woher ich das weiß? Nun ich habe 3 Hektar mittendrin, davon ist 1 Hektar perdu . 10 Jahre behutsame Pflege innerhalb von Minuten hinfällig. Ich mag Ihren Sachverstand nicht beurteilen, aber die Argumente sind nicht besonders überzeugend.

        • @97287 (Profil gelöscht):

          Mit Gleichmacherei kommen wir nicht weiter! Auf dieser Wiese geht es um Eindämmung der schnellwachsenden Vegetation zum Vorteil einiger konkurrenzschwacher, seltener, Pflanzenarten. Wie bereits im vorherigen Kommentar erwähnt, ist Naturschutz immer mit einem Zielkonflikt verbunden. Und über Insekten müssen Sie mir nichts erzählen, ich bin Entomologe.

          Ansonsten stellt sich die Menschheit durch Zerstörung der Umwelt weltweit aktuell selbst die Zustände aus der Steinzeit her. Damit hat der Naturschutz im Leitsakgraben nichts zu tun. Dass im Umfeld des Gebietes Mais schon seit Jahren ohne Fruchtfolge angebaut wird, müssten Sie dann ja gesehen haben, wenn Sie zu ihren Schlägen fahren. Und ich bestreite überhaupt nicht, dass es aktuell schwere Jahre für Waldbesitzer und Landwirte sind. Das sollte die Chance zum Umdenken sein. Weg von Monokultur, hin zu strukturreichen Kulturen. Diese Wälder sind dann Stürmen und Schädlingen eher gewachsen und außerdem kann man endlich Brücken zwischen Landbewirtschaftung und Naturschutz schlagen. Das freut dann auch die Insekten und ist effektiv. Winzige Wiesen, auf denen Orchideen wachsen, halten das Insektensterben nicht auf. Erhalten aber lokal diese Pflanzen. Das Insektensterben halten wir nur durch ein Umdenken in Wald und Flur auf.

          Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Eigentlich sollte das Ansinnen des Naturschutzes auch in Ihrem Interesse sein. Also warum die Aktion mit den Motorsensen? Suchen Sie lieber den Dialog mit dem Umweltministerium oder dem NABU, lassen Sie sich auf den Waldumbau ein. Dann tun Sie etwas für die nächsten Generationen, machen den Wald fit für die Zukunft, bekämpfen den Artenschwund, stehen positiv da und bekommen das ganze im besten Falle noch finanziell gefördert. Projekte gibt es genug. Aber wahrscheinlich ist das wie mit Ost und West. Grenzen in den Köpfen zu überwinden ist schwieriger, als Mauern einzureißen.

          Schönen Tag!