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Ein Ort auch für Schwarze MenschenIn Rüstung ins Theater

Wer immer wieder Diskriminierung erfährt, schützt sich. Aber was können wir tun, um uns Offenheit und gute Erfahrungen zu bewahren?

Wenn die Darstellungen schwer bekömmlich bis rassistisch sind, bleibt das Publikum homogen oder weg Foto: Skata/imago

W ie kann man Offenheit behalten, wenn man selbst immer wieder Diskriminierung erfahren hat? Es ist kompliziert. Denn Ausgrenzungserfahrungen verankern sich tief im Inneren, und ab einem gewissen Punkt geht man mit viel Misstrauen durch die Welt. Es ist ein Schutz, der sich lohnt: Dass der Ton der Dame von der Hausverwaltung, die am Telefon so nett war, sich schlagartig ändert, wenn sie dich sieht, schmerzt jedes Mal.

Es hat lange gedauert, die Idee zu verbreiten, dass Theater auch ein Ort für Schwarze Menschen sein kann

Festzustellen, dass der Typ, mit dem du flirtest nicht an dir als Person interessiert ist, sondern seinen Exotismus befriedigt sehen will, oder dass du nicht wegen deiner Kompetenz zu einer Veranstaltung eingeladen wurdest, sondern um Diversitätskriterien zu erfüllen, ist demütigend.

Das alles sind Szenarien, in die man nicht unvorbereitet hineinstolpern will. Lieber in voller Montur ankommen und dann nach und nach Rüstungsteile ablegen, je sicherer man sich fühlt.

Diese Strategie ist nachvollziehbar und diejenigen, die in der jeweiligen Konstellation in der Mehrheit oder Machtposition sind, sollten darauf achten, es nicht persönlich zu nehmen, wenn sie erst mal misstrauisch durchleuchtet werden. Das gilt auch für das afrodeutsche Künstler*innen-Kollektiv, das zum ersten Mal mit einer behinderten Kollegin arbeitet, und für viele andere Gruppen, in denen auch Personen sein können, die selbst Diskriminierungserfahrungen machen.

Und trotzdem bleibt die Frage, was wir tun können, um Offenheit zu bewahren. Um uns nicht selbst um mögliche gute Erfahrungen zu bringen – weil wir erst mal vermuten, aus diesem oder jenem Bereich seien wir bestimmt ausgeschlossen oder nicht mitgemeint. Dadurch verpassen wir so einiges.

Dem Theater eine Chance geben

Als ich vor 15 Jahren anfing, Theaterstücke zu machen, die sich besonders an ein Schwarzes Publikum richteten, musste ich jede Zuschauerin einzeln einladen und überzeugen, dem Theater noch eine Chance zu geben. Wir alle hatten die Erfahrung gemacht in irgendwelchen Schulvorstellungen zu sitzen, in denen PoC entweder gar nicht vorkamen oder als Problem. Es hat lange gedauert, die Idee zu verbreiten, dass Theater auch ein Ort für Schwarze Menschen sein kann. Ähnliches erlebe ich in Gesprächen mit neurodivergenten, chronisch kranken oder behinderten Freund*innen.

Die Erfahrung, dass die meisten öffentlichen Orte und Veranstaltungen nicht zugänglich sind, ist so ermüdend, dass manchmal gar nicht mehr nachgeschaut wird, wie barrierearm ein Ort eigentlich ist. Es ist weiterhin an uns Veranstalter*innen, uns extra viel Mühe zu geben genau die einzuladen, die lange nicht eingeladen und angesprochen wurden. Wer so gut wie nie Post bekommt, hört irgendwann auch auf, in den Briefkasten zu schauen.

Aber es ist auch an uns, die wir Ausschlüsse erfahren, Veränderungen wahrzunehmen und Erfolge anzuerkennen. Erfolge, die ja auch Resultate der eigenen Arbeit und der gemeinsame Kämpfe sind.

Die Skepsis gegenüber der Umwelt geht oft so weit, dass, ohne genau hinzuschauen, ein Projekt oder eine Institution als weiß gelabelt wird – und so die Arbeit von beteiligten PoC von den eigenen Communitys unsichtbar gemacht wird. So nachvollziehbar unser Misstrauen auch ist: Manchmal verwehren wir uns dadurch selbst Zugehörigkeit und Teilhabe und wir verpassen es, unsere eigenen Erfolge zu sehen.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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