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■ Pro: Warum Dengs vor 20 Jahren eingeleitete Reformpolitik klug warEin Mann der Mäßigung

Wenn der chinesische Partei- und Staatschef Jiang Zemin in diesen Tagen das 20jährige Jubiläum des Reformbeginns würdigt, werden in Deutschland nur wenige hinhören. Eine Ausnahme aber macht gewiß der Leipziger Sozialphilosoph Hans Mayer. Der Bloch-Schüler räumt China auch heute noch die Rolle ein, die das Land lange für die Linke im Westen innehatte. „Vielleicht bedeutet China ein Stück Hoffnung“, so Mayer 1995. Und weiter: „Die chinesische Tradition zwischen Konfuzius und Mao war stets dem verbunden, was wir Aufklärung nennen, diesseitiges Denken, Mäßigung, Gemeinsinn.“

Mayers These widerspricht der gängigen China- Deutung, die auch in Jiang nur einen totalitären Politiker sieht. Den China-Kritikern mangelt es zudem nicht an Indizien: Die jüngste Prozeßwelle gegen Oppositionelle bestätigt den repressiven Charakter des Regimes. Wie läßt sich da von Mäßigung sprechen?

Die chinesische Tradition von Konfuzius bis Mao verkörperte niemand besser als der 1997 verstorbene KPCh-Patriarch Deng Xiaoping. Der politische Durchbruch gelang Deng vor genau 20 Jahren. Es lohnt sich, Dengs damalige Leitgedanken heute nachzulesen. „Der Befreiung unseres Denkens gebührt Vorrang“, so Deng am 13. 12. 1978. „Bisher durfte man keinen einzigen Schritt über die von der ,Viererbande‘ festgesetzten Grenzen hinaus tun; wer das versuchte, wurde politisch verfolgt. Unter diesen Umständen hielten manche Leute es für sicherer, ihren Kopf nicht anzustrengen. Aber stellt euch doch nur einmal vor, wieviel Reichtum geschaffen werden könnte, wenn alle Menschen in den Betrieben ihren Kopf anstrengen!“ Das ist Deng pur und läßt ahnen, wo Dengs mäßigende Wirkung bis heute liegt. Dengs damalige Rede skizziert ein Programm, dem auch heute noch jede vernünftige chinesische Führung folgen müßte. Da wird „mehr Lohn für mehr Leistung“ gefordert, mehr dezentrale Wirtschaftsplanung und eine Stärkung des Rechtssystems. „Und wenn wir davon nichts verstehen, müssen wir von anderen Ländern lernen.“ Auch das ist Deng pur und hat mit einer totalitären Weltanschauung wenig gemein.

Gewiß gab es für die Dengsche Politik Rückschläge. Der größte war das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. 1989 setzte Deng seinen auserwählten Nachfolger, Zhao Ziyang, ab und griff selbst zu den Methoden der „Viererbande“.

Doch selbst in der Krise von 1989 gibt es einen Moment politischer Mäßigung. Zhao Ziyang war mit seinen Wirtschaftsreformen zu schnell vorangeprescht. Korruption und Inflation explodierten. Das Land benötigte dringend eine Reformpause. In den 90ern liegt hier die wichtigste, mäßigende Wirkung der KP darin, daß sie der westlichen Globalisierungseuphorie nach 1989 widerstand. Statt nach dem Bankrott des Realsozialismus bedingungslos zu liberalisieren, setzte China auf einen originären Entwicklungsprozeß. So blieb der Finanzsektor der Volksrepublik für ausländische Investoren geschlossen, und man verzichtete auf die volle Konvertibilität des Yuan. Nur wer ernsthaft in Fabriken investieren wollte, konnte ausländisches Geld in China anlegen. Diese Vorsicht wurde belohnt: In der Asienkrise brachen die Volkswirtschaften der Länder zusammen, die zu schnell liberalisiert hatten. China aber kann auch 1998 und 1999 mit einem beträchtlichen, wenngleich reduzierten Wirtschaftswachstum zwischen 6 und 8 Prozent rechnen. Schon der Blick aufs benachbarte Rußland verrät, was China geblüht hätte, wenn es den Rezepten westlicher Ratgeber aufgesessen wäre. Georg Blume

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