"Ein Fall für Zwei" wird 30: Alles über Matula

Wohin Claus Theo Gärtner mit Allrad-Wohnmobil und Motorrad auch reist: Matula ist immer schon da. Jetzt wird die Figur 30 Jahre alt - fast die Hälfte von Gärtners Leben.

Ein Mann, der sich vor niemandem verstecken muss: Claus Theo Gärtner alias Josef Matula. Bild: dpa

Alles, was Matula hat, hat er von mir - von wem soll er es auch sonst haben?

Ich habe ihm Leben eingehaucht, eine Biografie gegeben und anfangs sogar mein Auto geliehen. Zunächst gab es nur die Vorgabe, dass Matula ein ehemaliger Polizist ist, der jetzt als Privatdetektiv arbeitet, und daraus habe ich dann gemeinsam mit dem Produzenten Georg Althammer und dem Drehbuchautor Karl-Heinz Willschrei, die die Idee für "Ein Fall für zwei" hatten, die Figur entwickelt.

So, wie ich ihn mir vorgestellt habe, ist er dann auch geworden: ein leicht chaotischer Gerechtigkeitsfanatiker und Moralist in Lederjacke, der beim Lösen seiner Fälle schon mal die Fäuste auspackt und es auch sonst mit dem Gesetz nicht immer so furchtbar genau nimmt und von seinem väterlichen Anwaltfreund mehr als einmal rausgeboxt werden muss.

Ursprünglich war die Konstellation genau andersherum geplant: Ein alter, erfahrener Detektiv sollte mit einem jungen, smarten Anwalt zusammenarbeiten.

Aber der damalige Hauptabteilungsleiter Dokumentarspiel beim ZDF wollte dann unbedingt seinen Freund Günter Strack in der Rolle sehen, weswegen plötzlich ein junger Detektiv gesucht wurde.

Die Wahl fiel auf mich - das größte Glück meiner Karriere. Im Laufe der Jahre hat sich das Altersverhältnis dann so gedreht, wie es die Autoren mal wollten: Paul Frielinghaus, der den Dr. Markus Lessing spielt, meinen vierten Anwalt in der Serie, ist 51, ich bin mittlerweile 68 Jahre alt.

Jungspund Derrick

Fast die Hälfte meines Lebens spiele ich jetzt den Matula. Dabei schienen mir schon die 100 Folgen, die ich dem Georg Althammer zunächst zugesagt habe, auf der Rechnung eines Münchner Wirtshauses, eine utopische Zahl zu sein - die Jubiläumsfolge "Der Fall Matula" ist die 283, 291 sind schon abgedreht.

Matula ist längst der dienstälteste Ermittler im deutschen Fernsehen, hat selbst "Derrick" abgehängt. Geplant war das nie. Zwar setze ich mich nicht hin und meditiere über 30 Jahre "Ein Fall für zwei", sondern ich mache einen neuen Film und dann wieder einen neuen Film, aber dieses Jubiläum hat sogar mich für eine Minute sentimental werden lassen.

Beim Pressetermin wurde ein Zusammenschnitt gezeigt, in dem ich vielen Kollegen wiederbegegnet bin, die teilweise schon nicht mehr leben: 30 Jahre in acht Minuten - fast so schnell ist diese lange Zeit auch in meinem Gefühl vorbeigerast.

Ich bin dieser Rolle sehr dankbar: Matula hat mir ein gutes Leben ermöglicht. Seit ich 1966 die Schauspielschule in Hannover verlassen habe, war ich nicht einen Tag arbeitslos. Ich hatte zwar Ferien, in denen ich von meinen Fernsehgagen schöne Reisen machen konnte, aber ich wusste immer: Nach dem Urlaub geht es weiter mit "Ein Fall für zwei".

Und ich konnte mir meine große Leidenschaft leisten, Autorennen zu fahren - nicht nur finanziell, auch organisatorisch: Dass ich am Jahresanfang die Trainings- und Renntermine durchgebe, wäre früher am Theater unmöglich gewesen. Wobei, möglich schon, nur hätten die gedacht: Jetzt hat der Gärtner eine Vollmeise.

Bei "Ein Fall für zwei" wird das mittlerweile respektiert, weil die Produktion verstanden hat, dass ich den Ausgleich brauche. Dieses zweite Standbein hat dafür gesorgt, dass mir die Rolle nie langweilig geworden ist.

Auch wenn Josef Matula der Mittelpunkt seines Serienuniversums ist, habe ich, Claus Theo Gärtner, mich immer darum bemüht, am Drehort nie als Platzhirsch zu erscheinen. Und soweit ich das beurteilen kann, hatte auch nie einer meiner Kollegen das Gefühl, dass ich mich als solcher gebärde.

Mein einziges Privileg ist, dass ich, wenn die Produktionsleitung es irgendwie möglich machen kann, morgens erst um zehn am Set sein muss. Oder ich, wenn ich hin und wieder Regie bei einer Folge führe, als Mutter der Kompanie schon mal einen Drehtag mehr rausschlagen kann. Mein Wohnwagen aber zum Beispiel ist nicht größer oder schöner als die der anderen. Hauptsache, er ist im Winter warm.

Trotzdem ist "Ein Fall für zwei" harte Arbeit. Ich drehe zehn Monate im Jahr. Jemand hat mal ausgerechnet, dass ich zusammengerechnet neun Jahre meines Lebens am Set zugebracht habe.

Ich habe in dieser Zeit nicht einen Tag gefehlt. Darauf bin ich schon ein bisschen stolz, nicht auf die guten Gene, die ich offenbar von meiner 90-jährigen Mutter geerbt habe, sondern auf die Disziplin, die mich meine 25 Jahre am Theater gelehrt haben. Egal was passiert: Abends um acht geht der Lappen hoch.

Und um das hohe Pensum von Proben und Vorstellungen zu überstehen, muss man sich fit halten, kann sich nicht schon mittags einen auf die Gurke kippen. Bei mir war das auch schon deshalb nicht drin, weil ich am Anfang von "Ein Fall für zwei" ja noch zwischen Theater und Fernsehen gependelt bin. Bei sechs Folgen im Jahr ging das noch, bei acht wurde es schon eng und bei zwölf wie heute würde das natürlich überhaupt nicht mehr funktionieren.

Fürs Rennenfahren bin ich mittlerweile zu alt und daher auf etwas gemächlichere Oldtimer umgestiegen, den Privatdetektiv nimmt man mir aber immer noch ab - auch weil ich darauf geachtet habe, mich in der Rolle weiterzuentwickeln: Matula prügelt sich nicht mehr so viel, weil das affig aussähe, und ist insgesamt gütiger, versöhnlicher drauf.

Ein Hauch Altersmilde ist nicht zu leugnen. Obwohl ich ihn noch ein paar Jahre spielen könnte, habe ich mich entschlossen, nach der 300. Folge im nächsten Jahr eine längere Pause von Matula zu nehmen - eine Entscheidung, die ich mir nicht leicht gemacht habe, weil ich weiß, dass die Serie ohne Matula stirbt und ich mir der großen Verantwortung meinem Team gegenüber sehr bewusst bin.

Wiesbaden, wo wir hauptsächlich drehen, ist nun mal nicht gerade eine Filmmetropole, also muss so ein Schritt behutsam vorbereitet werden, damit jedes Teammitglied sich neu orientieren kann. Da bin ich nicht so frei, wie ich am liebsten wäre.

Arsch an Arsch

Dass mein Kollege Paul Frielinghaus mit der 300. Folge seinen Ausstieg aus der Serie angekündigt hat, unterstreicht unser gutes Verhältnis. Wir waren sogar schon mal gemeinsam im Urlaub. Das ist in unserer Branche nicht allzu üblich - erst recht nicht, wenn man wie wir seit über zehn Jahren tagtäglich Arsch an Arsch zusammenhockt.

Professionell einwandfrei war auch die Zusammenarbeit mit seinen drei Vorgängern Günter Strack, Rainer Hunold und Mathias Herrmann, vom ersten Drehtag an, aber was Paul von den anderen abhebt, sind seine Intelligenz, seine Loyalität und sein Engagement für die Serie, die er genauso prägt wie ich. Eigentlich möchte ich den Matula mit keinem anderen Partner mehr spielen, auch wenn ich es natürlich könnte.

Überall, wo ich hinkomme - Matula ist schon da. "Ein Fall für zwei" läuft in 50 Ländern, es ist schwer, ihm zu entkommen. Neulich war ich in Paris, schalte im Hotelzimmer den Fernseher ein - und was läuft? "Ein Fall für zwei". Ich komme zurück nach Hause - und was läuft? "Ein Fall für zwei". Am nächsten Tag bin ich in Berlin, schalte im Hotel den Fernseher ein - was läuft? "Ein Fall für zwei", klar.

Dieses Durcheinander der Folgen, das auch allein schon durch die Wiederholungen in Deutschland entsteht - in der einen bin ich 55, in der nächsten 35 -, ist manchmal schon komisch, weil sich ja in Matula auf der Mattscheibe immer auch mein Leben spiegelt. Und darin kann ich privat ja nicht nach Belieben vor- und zurückhüpfen.

Es ist mir nicht unangenehm, mich im Fernsehen zu sehen, aber hängen bleibe ich auch nicht. Höchstens mal, wenn ich mich beim besten Willen nicht mehr dran erinnern kann, eine Folge je gedreht zu haben, obwohl ich das Buch ja mal in- und auswendig kannte. Aber das ist wohl normal: Wer weiß schon noch alles, woran er vor 20 Jahren gearbeitet hat?

In der Pause von "Ein Fall für zwei" will ich mit meiner Frau auf eine längere Reise gehen. Dafür haben wir uns ein 12,5-Tonner-Allrad-Wohnmobil gekauft und extra den Lkw-Führerschein gemacht. Und damit wir vor Ort flexibel sind, auch den Motorradführerschein.

Der Prüfer war ein bisschen perplex, sagte: "In Ihrem Alter geben die Leute den Führerschein normalerweise ab." Mir doch egal! Ich werde einen Teufel tun, mich hinzusetzen und auf den Tod zu warten. Dafür habe ich noch zu viel vor - auch im Fernsehen, auch ohne Matula. Auf die Reise wird er aber mitkommen, wie immer: Ich stehe am Tadsch Mahal - große Autogrammstunde. Da kommen nicht unbedingt die Inder, sondern die ganzen Touristen, Deutsche, Italiener, Schweizer. Die freuen sich, in der Fremde einen guten Bekannten zu treffen, Matula, den Kumpel von nebenan.

Die Kraft der Figur

Darin zeigt sich die große Kraft der Figur: Sie ist so authentisch, dass Zuschauer auf der ganzen Welt sich mit ihm identifizieren können und deswegen auch dem Darsteller alles andere als distanziert begegnen. Die trennen nicht zwischen Rolle und Mensch.

Klar ist es nicht immer angenehm, angequatscht zu werden, aber meistens ist es schmeichelhaft und macht mir darum nichts aus. Man gewöhnt sich an allem, sogar am Dativ.

Ich habe Matula das Leben geschenkt - ohne seine Fans aber wäre die Figur längst gestorben und vergessen. Jetzt wird Matula 30. Er kann sich glücklich schätzen, solche Fans zu haben. Und ich mich auch.

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