Ehrengrab für Benno Ohnesorg: Späte Ehre
Der Bezirksrat Hannover-Bothfeld will ein Ehrengrab für Benno Ohnesorg. Die Linke im Stadtrat fordert zugleich, dass das Ehrengrab von Gustav Noske aufgegeben wird.
Noske war 1919 als SPD-Volksbeauftragter für Heer und Marine verantwortlich für die Niederschlagung des sogenannten „Spartakusaufstandes“, bei der auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden. Außerdem verantwortet er die Niederschlagung der Berliner Märzkämpfe, bei denen viele Spartakisten getötet wurden. Noskes Weisung lautete: „Jede Person, die mit der Waffe in der Hand, gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen.“
Noske unterstützte die deutsche Kolonialpolitik, teilte den Antibolschewismus der Militärs und ließ den von der Reichswehr unterstützten Freikorps weitgehend freie Hand bei ihren brutalen Niederschlagungen von Streiks und kommunistischen Aufständen. Von politischen Gegnern bekam er den Beinamen „Bluthund“ oder „Blutnoske“.
Nachdem er nach dem „Kapp-Putsch“ 1920 zum Rücktritt gezwungen wurde, bekam Noske bei der SPD kein Bein mehr auf die Erde. Auch nach dem Krieg nicht, den er trotz mehrmonatiger Inhaftierung wegen Verbindungen zu Beteiligten des Hitler-Attentats am 20. Juli 1944 in einer Außenstelle des Konzentrationslagers Ravensbrück überlebte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1946 blieb Noske innerhalb der SPD umstritten – und ist es bei vielen GenossInnen im linken Parteiflügel bis heute.
„Wir haben bereits im Februar den Vorschlag eingebracht, das Ehrengrab für Noske aufzugeben“, sagt Dirk Machentanz, Vorsitzender der linken Stadtratsfraktion. „Aber das wurde im Umweltausschuss von allen Ampel-Abgeordneten abgelehnt.“ Ein Piraten-Abgeordneter sei von Seiten der SPD sogar „in sehr aggressivem Ton als Kommunist beschimpft worden.“
Es sei ihm wichtig, sagt Machentanz, dass Ohnesorg ein Ehrengrab erhalte: „Ich gehe auch davon aus, dass der Stadtrat dem zustimmen wird – aber wir wollen in Form eines Änderungsantrags die Debatte nutzen, um auch unsere Forderung noch einmal vorzubringen.“
Vom Vorstoß der Linken weiß Claudia Heinrich, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirksrat Bothenfeld, nichts. „Hier sollte nicht einer gegen den anderen ausgespielt werden“, sagt sie: „Hier geht es ausschließlich um das Grab Benno Ohnesorgs.“
Wichtige Würdigung
Die Erschießung des 1940 in Hannover geborenen Ohnesorgs durch den Polizisten Karl-Heinz Kurras bei einer Demonstration gegen den Schah-Besuch in Berlin am 2. Juli 1967 wurde bis heute nicht angemessen aufgearbeitet. Es gab nie eine Entschädigung für die Familie, nie eine Entschuldigung des Berliner Senats. Der 2014 verstorbene Todesschütze Kurras gilt bis heute als unschuldig. Ohnesorgs Sohn Lukas hatte der Berliner Polizei 2017 die Ermordung seines Vaters und die Vertuschung der Tat vorgeworfen.
„Gerade für die Familie Ohnesorgs wäre deswegen die Würdigung in Form eines Ehrengrabs sehr wichtig“, sagt Heinrich. Daneben will sie verhindern, dass sein Grab eines Tages eingeebnet wird: „Das geht nicht, denn hier ist ein Ort, an dem man sich an ein sehr wichtiges Stück deutscher Geschichte erinnern kann“, sagt sie.
Wohlwollende Betrachtung
Das sieht auch die SPD-Ratsherrin Christine Kastening so: „Der Tod Ohnesorgs hat die Studentenbewegung der 68er maßgeblich geprägt – das ist historisch eine wichtige Zeit.“ Deswegen werde man sich „den Antrag wohlwollend anschauen“. Mehr könne sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, da die Ratsperiode erst in der übernächsten Woche wieder beginne. Auch zum Linken-Vorschlag sagt sie nur: „Ich kenne ihn nicht und muss mich da erst einarbeiten.“
Zur Zeit gibt es in Hannover 70 Ehrengräber, deren Pflege von der Stadt übernommen wird. Mit der Aufnahme in die Liste der Ehrengräber stünde Benno Ohnesorg in einer Linie mit Kurt Schumacher und Kurt Schwitters – und mit Gustav Noske. Zumindest noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau