Ehemaliges Verbot sexueller Handlungen: Erst 357 Betroffene stellten Antrag
Rund 50.000 Homosexuelle wurden wegen sexueller Handlungen verurteilt. Seit 2017 können Betroffene Entschädigung einfordern. Doch nur wenige tun dies.
epd | Sieben Jahre nach der Entscheidung des Gesetzgebers, Menschen zu rehabilitieren und zu entschädigen, die wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden sind, gehen kaum noch entsprechende Anträge ein. Im vergangenen Jahr waren es nur fünf solcher Anträge, in diesem Jahr bis zum 1. Juli neun, wie das Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte.
Seit der Bundestagsentscheidung im Jahr 2017 sind den Angaben zufolge insgesamt 357 Anträge eingegangen. 264 davon wurden positiv beschieden und bislang rund 930.000 Euro an Entschädigungsleistungen ausgezahlt. Die Zahl der Anträge liegt damit deutlich unter dem, was erwartet wurde.
Laut einem Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer auf Grundlage des damaligen Verbots sexueller Handlungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts verurteilt. Zwar wird davon ausgegangen, dass sehr viele davon nicht mehr leben. Dennoch rechnete die Bundesregierung zum damaligen Zeitpunkt mit mehreren Tausend Anträgen.
Homosexuelle, die nach 1945 wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verurteilt wurden, können eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro erhalten, wenn das Urteil aufgehoben wird. Haftstrafen werden mit 1.500 Euro pro Jahr entschädigt. Der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch wurde in der Bundesrepublik 1969 abgemildert, abgeschafft aber erst 1994.
Vor zwei Jahren verlängerte die aktuelle Bundesregierung zudem aufgrund der geringen Antragszahlen die Frist für das Stellen von Anträgen, die eigentlich schon im Juli 2022 auslaufen sollte. Nun können die Anträge noch bis zum 21. Juli 2027 gestellt werden.
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