Editier-Funktion bei Messager-Dienst: Wahrscheinlich? Wahnsinnig!
Seit Kurzem lassen sich Whatsapp-Nachrichten nachträglich bearbeiten. Das kann Freundschaften retten.
M it Kurznachrichten ist es so eine Sache. Als eine Kollegin ankündigte, dass sie den Job wechseln und die taz verlassen würde, schrieb ich ihr, wie schade ich das finde. Die Antwort, wenige Minuten später: „Ich weiß, dass ich euch auch wahrscheinlich vermissen werde“. Ich stutzte. Das war ja nicht wirklich nett, eigentlich hatten wir uns doch sehr gut verstanden. Oder sah sie das anders? Kurz darauf summte das Handy erneut. „Ohje, da sollte nicht wahrscheinlich, sondern wahnsinnig stehen“. Bei der analogen Abschiedsfeier haben wir dann gemeinsam darüber gelacht.
Fehler durch die Autokorrekturfunktion oder Vertipper, auch sehr viel unangenehmere als dieser, gehören bei Messenger-Diensten leider dazu. Insofern ist es sehr erfreulich, dass man seit Ende Mai Nachrichten bei Whatsapp auch im Nachhinein noch korrigieren kann. Ein Mal länger draufdrücken, schon erscheint hinter den drei Punkten oben rechts die Funktion „Bearbeiten“.
Zwar geht das nur innerhalb von 15 Minuten und auch nur dann, wenn das Gegenüber die Nachricht noch nicht gelesen hat. Aber immerhin, die Schreibenden haben etwas mehr Kontrolle über ihr Tun. Peinliche Fehler werden so hoffentlich rechtzeitig korrigiert, überflüssige Kränkungen vermieden und vielleicht sogar die ein oder andere Freundschaft gerettet.
Klar, es gibt Menschen, die Kurznachrichten eh drei Mal lesen und penibel auf Fehler checken, bevor sie sie in die Welt senden. Andere tippen schneller als sie denken und – zack – schon sind die Zeilen unterwegs. Gerade bei Jüngeren kann man das beobachten. Anrede, Verabschiedung, alles total Boomer-mäßig. Wer in Klassenchats schaut, findet da unvollständige Sätze, schnelle Kommentare, Emojis. Mal sind Wörter groß, mal klein geschrieben, je nachdem, was die Autokorrektur so vorschlägt. Kommasetzung? Fehlt oft völlig.
Sie können unterscheiden
Messengerdienste verändern den Schreibstil von Jugendlichen, hat ein Linguist herausgefunden, Sorgen machen müsse man sich deshalb aber nicht. Denn die Regeln kennen viele sehr wohl. Die Jugendlichen unterscheiden nur eben zwischen Texten, in denen Rechtschreibung eine Rolle spielt (Schule), und anderen, wo es sich schneller tippt ohne (privat).
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Nun kann ich Fehler in Texten schon berufsbedingt schwer ertragen. Tatsächlich aber gehen den eilig Tippenden entscheidende Vorteile von Schrift verloren. Anders als beim Sprechen kann man beim Schreiben die Worte wägen, solange, bis man genau das richtige gefunden hat.
Taktlosigkeiten lassen sich behände umschiffen. Fehlende Rechtschreibfehler signalisieren dem Gegenüber zudem: Ich nehme mir den Moment für dich. Und mit etwas Geschick entsteht sogar Wortwitz.
Dank der Edit-Funktion hat man nun für all das mehr Zeit – wenn denn der oder die EmpfängerIn nicht gleich aufs Handy schaut. Ja, bei anderen Messengerdiensten geht die nachträgliche Bearbeitung schon lange. Die meisten Deutschen, vier von fünf, nutzen aber – trotz aller Kritik etwa am Datenschutz – weiterhin Whatsapp. Insofern könnte die neue Funktion die Chatkultur hierzulande schon verändern.
Zugegeben: Um manche Fehler wäre es fast schade. Wenn das Handy aus Fabian, genannt „Fabi“, immer „Gabi“ macht und viele im Freundeskreis ihn bald tatsächlich so nennen. Oder wenn aus einem „wahnsinnig vermissen“ ein „wahrscheinlich vermissen“ wird und man beim gemeinsamen Lachen mit der Kollegin darüber merkt: Genau das wird wirklich fehlen.
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