Edekas Werbevideo „Supergeil“: German „Gangnam-Style“
US-Websites und -Blogs finden die Werbekampagne der Supermarktkette Edeka supergeil – und entdecken die neue German Lässigkeit.
Ein älterer Herr mit dunkler Sonnenbrille sitzt in der Badewanne und lässt Milch aus einem Tetrapak in die Wanne ein. Später tanzt er mit langbeinigen Frauen durch die Supermarktregale von Edeka. Es ist Friedrich Liechtenstein, ein 58 Jahre alter Sänger aus Berlin.
Der Spot „Edeka Supergeil feat. Friedrich Liechtenstein“ ging im Netz um die Welt, bereits fast vier Millionen mal wurde er bis Freitagnachmittag allein bei Youtube geklickt. Es ist eine Neuauflage des YouTube-Hits „Supergeil“ von Liechtenstein feat. Der Tourist aus dem Jahr 2013. In der Originalversion rappt Liechtenstein nicht von Edekas Joghurt und dem supergeilen Dorsch, sondern von einem supergeilen Leben und einer supergeilen Stimmung.
Auch die Amerikaner haben den Ohrwurm für sich entdeckt. Sie vergleichen den Werbespot mit dem Hit „Gangnam Style“ des südkoreanischen Sängers Psy. Dass es sich bei dem einen um eine Art modernen Protestsong handelt und bei dem anderen um eine Werbekampagne, scheinen sie auszublenden. Für sie sind dies virale Phänomene, die anstecken.
Die US-amerikanische Journalistin Rebecca Schuman vom Online-Magazin Slate, nimmt Supergeil zum Anlass, die deutsche Werbeindustrie in den höchsten Tönen zu loben. Der lockere Umgang mit dem für Amerikaner anrüchigen Wort „geil“ lässt sie völlig aus dem Häuschen geraten. Dass es im deutschen Sprachgebrauch fast nur noch einem „toll“ oder „super“ entspricht, geht unter.
Das deutsche Supermarktgewerbe und das deutsche Fernsehen sei dem amerikanischen aufgrund des lockeren Umgangs mit Sexualität „überlegen“, so Schumann. Ihr Beleg dafür: Eine Pornodarstellerin, die in der geskripteten Vox-Sendung „Mieten, Kaufen, Wohnen“ eine neue Bleibe sucht.
Empfohlener externer Inhalt
In Kommentaren unter dem Slate-Artikel melden sich Deutsche, denen die Werbekampagne peinlich ist. Sie wollen den Amerikanern deutlich machen, dass dies keine typisch deutsche Werbequalität sei. Patriotische Amerikaner verteidigen dagegen ihre Werbeindustrie.
Deutschsprachige Parodien
Auch die Satire-Seiten College Humor und 9gag.com verbreiteten den Film. Ebenso wie Buzzfeed, ein amerikanisches Blog, das den neuen heißen Scheiß des Internets und die süßesten Katzenfotos sammelt. Hier wurde das Video der Website traditionsgemäß in animierte Gifs zerlegt.
Friedrich Liechtenstein hat in Edekas Auftrag auch noch ein paar weitere Videos gedreht – für Geburtstagskinder, Kollegen, Männer und Frauen sowie Eltern. Natürlich „supergeil“. Eine geschickte Masche, denn so hat es auch die YouTube-ferne Mutter im Ohr, die Geburtstag hat.
Natürlich lassen auch die deutschsprachigen Parodien nicht lange auf sich warten, wie zum Beispiel eine Produktion aus Wien, die das Wort geil sexistisch interpretiert. In einem schwulenfeindlichen Video wird zudem aus „supergeil“ „supergay“.
Mittlerweile wird der Hashtag #supergeil auch ohne die dazugehörige Werbung bei Twitter genutzt. „Supergeil“ hat sich von der Kampagne emanzipiert. Glückwunsch an die Werbeagentur!
Die Amerikaner haben sich von den Beats und der tiefen, sonoren Stimme Liechtensteins anstecken lassen. Wie so oft bei einem viral verbreiten Video wird das, was die Welt dort sieht, als typisch für sein Ursprungsland dargestellt. Für sie ist der Spot das neue Gangnam-Style von 2014. Der Besuch eines Edeka-Markts dürfte bei vielen Deutschland-Besuchern ab sofort Pflichtprogramm sein, so wie Neuschwanstein, Berlin Wall und die Cologne Cathedral. Supergeil. Zumindest für Edeka.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!