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EU will Ostsee-Fangquoten reduzierenFischer pfeifen auf Warnungen

EU-Minister entscheiden über eine nochmalige starke Senkung der Fangmenge von Dorsch und Hering. Die Branche sieht ihre Existenz bedroht.

Wieviel darf er noch aus dem Meer holen? Ein Fischer leert auf der Ostsee seine Fangreusen Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin taz | Ostseefischer warnen die EU-Agrarminister davor, die erlaubten Fangmengen wie von der Kommission empfohlen zu senken. „Die drakonischen Fangbeschränkungen für Dorsch und Hering würden die Zerstörung der in der Ostsee operierenden Fischereiflotten bedeuten“, teilte der Deutsche Fischerei-Verband mit. Umweltschützer halten niedrigere Fangquoten aber für nötig – auch damit es künftig überhaupt noch genug zu fischen gibt. Am Montagabend verhandeln die Minister über die Limits für 2021.

Laut Kommission ist vor allem der Dorsch weiter sehr gefährdet. Deshalb hat die Europäische Union 2020 die Fangmenge bereits drastisch reduziert. Nun soll sie in der westlichen Ostsee nochmals um 11 Prozent auf 3.395 Tonnen sinken, im östlichen Teil des Meeres um 70 Prozent auf 595 Tonnen. „Das ist im Prinzip ein Dorschfangverbot“, sagte Norbert Kahlfuss vom Landesverband der Kutter- und Küstenfischer Mecklenburg-Vorpommern. Die geringe Quote sei ohnehin nur für die unvermeidlichen Beifänge an Dorsch gedacht gewesen.

Heringe sollen in der westlichen Ostsee 2021 nur noch halb so viele gefangen werden wie in diesem Jahr, in der mittleren Ostsee 36 Prozent weniger. „Für die Fischer ist das der nächste Nagel für den Sarg“, kritisierte Kahlfuss. Nur im Rigaischen Meerbusen soll 15 Prozent mehr Hering gefischt werden dürfen, im Bottnischen Meerbusen genauso viel wie 2020.

Der letzte Berufsfischer in Stahlbrode bei Greifswald, Ralph Krehl, dürfte wegen der neuen Quote statt 8 Tonnen Hering in diesem Jahr nur noch 4 Tonnen fangen. „Das ist so gut wie gar nichts“, klagt er. Um seine Verkaufsstelle mit Räucherei und Imbiss aufrechtzuerhalten, müsste er dann noch mehr Fisch zukaufen.

Wissenschaftler raten jedoch, überhaupt keine Dorsche und Heringe mehr zu fangen. Nach Jahrzehnten der Überfischung seien die Bestände in der westlichen Ostsee so klein, dass sie während der Laichzeit nicht mehr ihr gesamtes Laichgebiet mit Eiern versorgen könnten, erklärt das Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel: „Beim Hering liegt der Nachwuchs seit 2005 weit unter dem Mittel der vorherigen Jahre und nimmt kontinuierlich weiter ab.“ Der Dorsch habe in vier der letzten fünf Jahre keinen oder fast keinen Nachwuchs gehabt.

Zudem hätten die meisten Fische wegen des ungewöhnlich warmen Winters abgelaicht, bevor genügend Nahrung für die Larven vorhanden war. Weil sich eingeschleppte Rippenquallen im warmen Wasser massiv vermehrt haben, mussten die Fischlarven den Forschern zufolge um das Plankton als Futter konkurrieren. „Alle Anzeichen deuten daher darauf hin, dass es in diesem Jahr bei Dorsch und Hering keinen Nachwuchs geben wird“, sagt Geomar-Meeresbiologin Catriona Clemmesen. „Wenn man die Fischerei in der westlichen Ostsee zerstören will, lässt man die Situation, wie sie jetzt ist“, so Thilo Maack, Meeresbiologe der Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Abwrackprämie für Fischkutter

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU), die das Treffen der EU-Ressortchefs leitet, dämpfte aber schon mal die Erwartungen: Die Minister müssten „noch intensive Gespräche führen müssen“ über die Vorschläge der Kommission, sagte sie am Sonntag. Es brauche eine „Balance zwischen nachhaltiger Bewirtschaftung und den Bedürfnissen der Fischer“, so die CDU-Politikerin. Auch die Definition und der Zuschnitt der Schonzeiten würden bei den Verhandlungen wichtig sein.

Die EU ist sich im Klaren darüber, dass viele Fischer wegen der niedrigeren Fangquoten aufgeben müssen. Deshalb hat sie sich auf Prämien geeinigt für Betriebe, die Fischkutter abwracken. (mit dpa)

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13 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Die Branche sieht ihre Existenz bedroht."

    Ja und daran ist die Branche selbst schuld. Allerdings kann man sich dem kapitalistischen System natürlich nicht entziehen. Profit ist das oberste Gebot. Wer da nicht mithalten kann, fällt hinten runter. Also immer weiter, bis es keine Fischer mehr gibt?

    Mit den Fangquoten greift der Staat ein und das ist auch richtig so!



    Denkbar wäre allerdings auch eine staatliche Regulierung bei der Anzahl der Fischer (bei Taxilizenzen passiert das ja).



    Das wäre zwar auch ein staatlicher Eingriff aber das riecht ja schwer nach Sozialismus oder gar Kommunismus. Huhhhh

  • So bezahlt man für die Sünden der Väter... traurig aber wahr

    • @danny schneider:

      ähh? Nein.



      Die Lebenszyklen der Fische sind dafür nicht lang genug. Die Fischer, jung und alt, bezahlen für ihre eigenen Sünden.



      Wobei man weitere Sünder, die die Fische kaufen, nicht ausser acht lassen sollte.



      Insgesamt ist es aber ein Massenproblem. Es wird schlicht zuviel nachgefragt.

      • @fly:

        Ich sehe hier eher das Angebot, als die Nachfrage.

      • @fly:

        "Es wird schlicht zu viel nachgefragt"

        Oder benennen wir die unbequeme Wahrheit: es sind zu viele Menschen da!

        "Die Fischer, jung und alt, bezahlen für ihre eigenen Sünden." Das ist natürlich richtig, aber noch vor 20-30 Jahren hätte man mit viel weniger Quote problemlos die Bestände stabilisiert - heute muss es halt weh tun. Ist wie CO2. 2000 hätte man rund 2% p.a. Reduzieren müssen, heute schon über 6%... und schon bald werden wir bei 10% sein wenn man nicht sofort handelt. Je länger man unbequemes aufschiebt, desto schlimmer wird's halt

  • Wir tun hier alle so als wäre das letztlich die Entscheidung der Fischer selbst.



    Dabei zerstören die paar Leute UNSERE Umwelt.



    Zeit, diese Selbstermächtigung endlich zu beenden.



    Gilt genauso für Bauern.

  • Warum schickt eigentlich keiner die Fischer in Kurzarbeit. Da müssten noch nicht mal Kutter abgewrackt werden. Gesenkte Liegegebüren würden auch helfen.

  • ..... erst wenn der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr begreifen......

    • @Life is Life:

      ..... erst wenn der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr begreifen......



      Ja, als wenn das so schwer fällt! :-)



      „Für die Fischer ist das der nächste Nagel für den Sarg“... Zwei Möglichkeiten gibt es doch:



      Die nageln ihre Kiste selbst zu, mit weiter fischen, oder die werden sanft umgeschult & in Rente geschickt!



      Bei der 2. Version besteht noch die Chnace, das sich das Ökosystem Oss-See wieder erholt!



      Aber das geht in "Fischköppe" wohl nicht so einfach rein!:-(



      Brummt Sikasuu

  • Die Fischer sägen an ihrem eigenen Ast - und meckern darüber, daß sie langsamer sägen sollen. Bei allem Verständnis für die individuelle wirtschaftliche Situation der Betroffenen, das ist für mich unbegreiflich.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @SuedWind:

      Der Fischer steht für nahezu die gesamte Wirtschaft. Das System ist falsch!!!!!.

      Wenn sie einen Kutter von ihrem Vater geerbt haben und den Beruf des Fischers ergriffen haben, was ist daran so schwer zu begreifen, dass sie ihren Lebensunterhalt verdienen wollen?



      Der angeblich "freie Markt" bewirkt aber, dass es zu viele hocheffiziente Fischer gibt, die alles wegfischen, was schwimmt. Das System fährt an die Wand!



      Nicht er Einzelne hat Schuld.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        >> Nicht er Einzelne hat Schuld.



        In der Tat. Was an der ganzen Debatte stört, ist, dass die Politik nicht mit offenen Karten spielt.



        Es findet (schon seit Jahrzehnten) ein massiver Strukturwandel statt, bei dem kleine Einheiten durch effizientere große ersetzt werden. Wodurch die kleinen ineffizient und teuer werden, zudem gibt es Überkapazitäten, die Preise und Margen drücken.



        Dieser Strukturwandel kann durchaus erwünscht und gut sein: Wir können mehr Lebensmittel billiger produzieren. Auch verantwortungsvoll und nachhaltig, für Menschen, Tiere und Umwelt.



        Wenn das gewollt wäre. Stattdessen hat man den Eindruck, dass die Politik in Berlin und Brüssel sich aussschließlich um die Förderung der Großen kümmert, und alles andere bestenfalls reaktiv behandelt.



        Wenn es jetzt zu wenig Dorsche und zu viele Fischerboote gibt - dann liegt das vor allem daran, dass man vor zehn Jahren neue Fischerboote subventioniert hat, ohne sich Gedanken zu machen, wie man die Gesamtkapazität nachhaltig deckeln kann.



        Warum begrenzt man nicht die Fangkapazität statt der Fangmengen?

    • @SuedWind:

      Warum?

      Für die kleinen Fischer ist das das Ende immer endgültig und eine finanzielle wie persönliche Katastrophe.

      Die haben vom also Überleben der Fische also gar nichts mehr.

      So ist der Mensch nun mal.