EU einigt sich: Endgültiges Aus für russisches Gas
Spätestens am 1. November 2027 ist Schluss mit Gaslieferungen aus Russland. Ungarn und die Slowakei wurden überstimmt. Öl wird weiter importiert.
Der Europäische Rat der EU-Mitgliedstaaten und das Europaparlament haben sich auf ein endgültiges Aus für den Import von russischem Erdgas zum 1. November 2027 geeinigt. Dabei wurden Ungarn und die Slowakei, die besonders viel Energieträger aus Russland einkaufen, überstimmt. Beide Länder beziehen noch russisches Erdgas und Öl über Pipelines. Ungarns Premier Viktor Orbán hatte kürzlich noch den Kauf russischer Energieträger bekräftigt.
Doch das von proukrainischen EU-Politikern vorgebrachte Anprangern vor allem Ungarns und der Slowakei lenkt davon ab, dass etwa Frankreich allein im Oktober nach Berechnungen der finnischen NGO Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) für 209 Millionen Euro verflüssigtes Erdgas aus Russland eingeführt hat.
Die Slowakei hat indes für 210 Millionen Euro russische fossile Energieträger eingekauft – davon für 48 Millionen Euro Pipeline-Gas und für den großen Rest Erdöl über die „Druschba“-Pipeline. Ungarn ist der größte EU-Kunde Moskaus mit Energieimporten in Höhe von 258 Millionen Euro allein im Oktober. Rumänien bezog für 74 Millionen Euro russisches Pipeline-Gas. Auch Österreich ist weiter Russlands Energie-Großkunde. Die November-Zahlen liegen noch nicht vor.
Nach den CREA-Daten hat die EU allein im Oktober fast eine Milliarde Euro in die Kreml-Kasse gespült für russisches Öl und Gas. Laut der in Finnland ansässigen Forschungs-NGO hat Europa seit der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 bis heute deutlich mehr Geld für Importe an Russland gezahlt hat als an Hilfen für die Ukraine.
Treibstoffimporte aus Indien und der Türkei mit russischem Rohöl
Bereits zum 1. Januar 2027 soll nun der Import von russischem LNG vollständig gestoppt werden. Das trifft vor allem Belgien und Frankreich – das allerdings über sein LNG-Terminal in Dünkirchen auch Flüssiggas nach Deutschland liefert. Bisher nehmen EU-Staaten 49 Prozent des russischen Flüssiggases ab.
Aber weiterhin wird fast die Hälfte der aus indischen und türkischen Raffinerien in die EU importierten Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin aus russischem Rohöl produziert. Das brachte im Oktober weitere Hunderte Millionen Euro in russische Kassen.
Die Ukraine attackiert derweil weiter die „Druschba“-Ölpipeline in Russland: In der Nacht zum Montag wurde dabei erstmals laut Angaben des ukrainischen Geheimdienstes eine ferngezündete Bombe eingesetzt, statt Raketen oder Drohnen. Damit wurde erneut die Lieferung von russischem Öl nach Osteuropa und von kasachischem Rohöl an die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt unterbrochen.
Sanktionen wirken
Aber die westlichen Sanktionen gegen Aggressor Russland haben auch etwas bewirkt: Im Oktober 2025 gingen die monatlichen Einnahmen Russlands aus dem Export fossiler Brennstoffe im Vergleich zum Vormonat um 4 Prozent auf 524 Millionen Euro pro Tag zurück – der niedrigste Stand seit der umfassenden Invasion der Ukraine. Hauptkunden sind China und Indien sowie mit einigem Abstand die Türkei und die EU. Aber noch immer werden 38 Prozent der russischen Rohölexporte auf Schiffen von Reedern aus westlichen Staaten transportiert.
Laut der Kyiv School of Economy (KSE), die auch mit westlichen Wissenschaftlerinnen und Forschern die wirtschaftliche Lage Russlands untersucht, sind auch die Einnahmen Russlands aus dem Nicht-Öl- und Gassektor nur um 11 Prozent gestiegen, während die Staatsausgaben im Jahresvergleich um 15 Prozent zunahmen. Im Oktober gingen die Einnahmen außerhalb des Erdölsektors zum ersten Mal seit drei Jahren im Jahresvergleich zurück, was auf eine Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit hindeute, so die gerade erschienene KSE-Analyse.
Das in den letzten Jahren durch hohe Haushaltsüberschüsse dank solider Energieexporte verwöhnte Russland rutscht damit immer weiter in ein erhebliches Haushaltsdefizit. Das kann wegen internationaler Finanzsanktionen nur noch von inländischen Banken finanziert werden, die laut Experten zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Das Wirtschaftswachstum soll demnach deutlich auf nur noch erwartete 0,6 Prozent zurückgehen.
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