EU definiert grüne Geldanlagen: Nachhaltige Finanzmärkte
Die Europäische Union einigt sich auf Bestimmungen zu „grünen Investitionen“. Atomkraft bleibt allerdings ein Streitpunkt.
„Wir haben Geschichte geschrieben“, jubelte der für die Finanzbranche zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, nach der Last-Minute-Einigung am Montagabend in Straßburg. Die nun gefundene Vereinbarung werde dazu beitragen, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Auf dieses Ziel hatten sich die Mitgliedstaaten beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche verständigt, nur Polen scherte aus.
Die Einigung zielt darauf ab, nachhaltige Geldanlagen und Investitionen zu fördern – und so die Finanzbranche auf den Umwelt- und Klimaschutz umzusteuern. Auch Bankkunden und Kleinanleger sollen zu grünen Investments ermuntert werden. Dafür hat die EU eine einheitliche Definition, eine sogenannte Taxonomie für nachhaltige Finanzprodukte erarbeitet. Sie legt fest, was als grün gilt, und beachtet auch Risiken und Nebenwirkungen.
„Wir haben eine gemeinsame Sprache und neue Regeln für die Finanzmärkte definiert“, freute sich der französische Europaabgeordnete Pascal Canfin, der den Umweltausschuss des EU-Parlaments leitet. Die Definition zeige der Welt „die Richtung, wo Investitionen gemacht werden sollten“, erklärte der grüne Parlamentsberichterstatter Bas Eickhout. Das „Green-Washing“ – also die irreführende Kennzeichnung umweltschädlicher Produkte – werde beendet.
Drei Kategorien für nachhaltige Finanzprodukte
Nach der Vereinbarung soll es künftig drei Kategorien für nachhaltige und annähernd nachhaltige Finanzprodukte geben: „low-carbon“, „transition“ und „enabling“. Kohle wäre demnach nicht nachhaltig, bei Gas hinge die Einstufung vom Einzelfall und von der CO2-Bilanz ab. Bei der Atomkraft ließen sich die EU-Unterhändler eine Hintertür offen. Ob sie als grün eingestuft wird, solle erst Ende 2021 entschieden werden, erklärte Canfin.
„Gas und Atom können auf keinen Fall als lupenreine grüne Investments eingestuft werden“, so der liberale Franzose, der früher bei den Grünen mitarbeitete. Aus den anderen Kategorien könne man sie jedoch nicht von vornherein ausschließen. Die EU-Kommission wurde beauftragt, eine Liste mit möglichen Übergangstechnologien zu erarbeiten. Die Behörde soll auch entscheiden, ob die Kernkraft wegen des Atommülls als umweltschädlich eingestuft wird.
Gegen eine solche Einstufung hatten sich Frankreich und acht weitere EU-Staaten vehement gewehrt. Ein erster Kompromiss war am Einspruch dieser Länder gescheitert.
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