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EU-Wahlen In LettlandHolundersirup und Boney M.

Die liberale Partei Kustiba Par! (Bewegung Dafür!) wirbt für die Westintegration der Ukraine. Ihre EU-Kandidatin ist Ukrainerin mit belgischem Pass.

Stimmabgabe in Riga am Samstag Foto: Ints Kalnins/rtr

Riga taz | Immerhin: 33,77 Prozent. Mit diesem Wert wird die offizielle Wahlbeteiligung in Lettland beziffert, wo die Europawahl bereits am Samstag stattfand. Wahlplakate waren in der Hauptstadt Riga aber schon am Vortag nirgendwo mehr zu entdecken, denn laut Gesetz müssen sie zwei Tage vor der Wahl entfernt werden.

Generell sind die Regeln streng: Für Plakate gibt es wenige ausgewählte Stellen, wildes Plakatieren etwa an Straßenlaternen ist nicht erlaubt. Generell zahlen Parteien ihre Werbung aus Spendengeldern. Das heißt in der Regel auch: je kleiner die Partei, desto geringer ihre Werbemöglichkeiten.

Zum fünften Mal beteiligt sich Lettland an den Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Land gehört seit 2004 zur EU. Neun der insgesamt 720 EU-Abgeordneten werden hier gewählt, 16 Parteien hatten Kandidaten aufgestellt. Die Konkurrenz um die Mandate ist also verhältnismäßig hoch. Da bedarf schon einiger Kreativität, um ein Mandat in Brüssel zu erringen.

Die pro-europäische liberale Partei Kustiba Par! (zu Deutsch: Bewegung Dafür!) hat die in Belgien lebende Ukrainerin Ivanna Volochii zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europa-Wahlen nominiert. Die 42-Jährige aus dem westukrainischen Ivano-Frankivsk hat neben der ukrainischen auch die belgische Staatsangehörigkeit und ist die erste Ukrainerin, die als Kandidatin bei der Wahl zum EU-Parlament nominiert wurde. In der Politik kennt sie sich gut aus, seit 17 Jahren arbeitet Volochii bereits in europäischen Institutionen.

Die Wähler überraschen

„Droša Latvija, Brīvā Ukraina, Viena Eiropa“ (Sicheres Lettland, Freie Ukraine, Ein Europa“) – so der Slogan der kleinen, erst 2017 gegründeten Partei, die bei den letzten lettischen Parlamentswahlen am 1. Oktober 2022 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Bei der abendlichen Wahlparty im „Spinati un Sviests“ (Spinat und Butter), einer winzigen Kneipe in der Rigaer Altstadt, erklärt Partei-Geschäftsführer Miks Celmiņš, wie es zur ukrainischen Spitzenkandidatin kam.

„Wir wollten die Letten mit einer neuen, spannenden Idee überraschen. Die Partei hat die Unterstützung des Beitritts der Ukraine zur EU und zur NATO zum Hauptziel ihrer europapolitischen Agenda erklärt. Und weil sich die meisten unserer 500 Parteimitglieder seit Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine solidarisch engagieren, zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe, lag die Idee einer ukrainischen Kandidatin auf der Hand.“

Große Chancen rechnet sich Ivanna jedoch nicht aus. Aber alleine ihre Kandidatur, als Vertreterin für 40 Millionen Ukrainer, sei ein Zeichen der Hoffnung für den EU-Beitrittskandidaten Ukraine.

Die Stimmung im „Spinati und Sviests“ jedenfalls ist ausgelassen. Es gibt Gemüsesticks und Käsestangen, Holundersirup und Wein. Getanzt wird zu Boney M. und lettischen Schlagern. Die Wahlergebnisse werden – wie auch im restlichen Europa – erst am Sonntag Abend verkündet.

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