EU-Vertragsentwurf für Brexit vorgelegt: Das Vertrauen ist futsch
Theresa May lehnt die vom EU-Verhandlungsführer gewünschte Regelung für Nordirland ab. Sie sieht die Integrität des Königreichs gefährdet.
Um eine harte Grenze zu vermeiden, gebe es drei Optionen, so der Franzose: erstens in einer Vereinbarung über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Dies würde aber bedeuten, dass es zum Austritt im März 2019 noch keine Lösung gibt. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass London (wie angekündigt) „spezifische Lösungen“ präsentiert.
Als dritte „Auffanglösung“ schlägt Barnier vor, dass sich Nordirland den Regeln des Binnenmarkts unterwirft. Diese im EU-Jargon „regulatorische Anpassung“ genannte Variante würde aber Zollkontrollen bedeuten. So oder so müsse schnell eine Lösung gefunden werden, denn schon in 13 Monaten werde der Brexit Realität. „Wir müssen schneller vorankommen“, so Barnier, „dies ist ein Schlüsselmoment.“
London und Brüssel hatten sich zwar im Dezember auf die Eckpunkte eines Brexit-Vertrags geeinigt – doch Probleme wurden in Formelkompromissen versteckt und kommen nun wieder zum Vorschein. Zudem gibt es Streit über die Übergangsphase nach dem Austritt und die künftigen Beziehungen zur EU. Brüssel fordert, dass London auch in der Übergangszeit alle relevanten EU-Regeln einhält – ohne ein Mitspracherecht zu haben. Sollte Großbritannien gegen EU-Recht verstoßen, könnte es sogar Sanktionen geben – was London empört.
Verhärtete Fronten
Brexit-Minister David Davis kritisierte die „unhöfliche Sprache“ und forderte Änderungen. In Brüssel macht Sorgen, dass Premierministerin Theresa May immer noch keine Vision für die künftigen Beziehungen vorgelegt hat. Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat eine Zollunion gefordert, May lehnt das ab.
Ihre eigenen Pläne will sie am Freitag vorstellen – doch zunächst machte sie ihrem Unmut über Barnier und den Austrittsvertrag Luft.
Ihre Regierung könne den Vertrag in seiner jetzigen Fassung „niemals“ akzeptieren, so May. Der Vorschlag aus Brüssel, wonach Nordirland de facto im EU-Binnenmarkt und der Zollunion verbleiben könnte, „untergräbt den britischen Markt und bedroht die verfassungsmäßige Integrität des Vereinigten Königreichs. Kein britischer Premierminister könnte dem jemals zustimmen.“
Die Fronten sind verhärtet – und das Vertrauen futsch. Barnier beteuert zwar, er wolle die Integrität Großbritanniens nicht in Frage stellen. Doch der Vorwurf steht im Raum – wenn er nicht schnell ausgeräumt wird, droht die bisher schwerste Krise. Sie könnte mit einem „harten Brexit“ ohne Vertrag enden – vor allem für die Wirtschaft ein Worst-Case-Szenario.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja