EU-Sondergipfel in Brüssel: Viktor Orbán knickt ein
Ungarns Ministerpräsident Orbán verzichtet auf die Blockade der Ukrainehilfe beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Insgesamt muss die EU aber einsparen.
![Robert Fico, Premierminister der Slowakei, spricht mit Viktor Orban, Premierminister von Ungarn. Robert Fico, Premierminister der Slowakei, spricht mit Viktor Orban, Premierminister von Ungarn.](https://taz.de/picture/6801475/14/34561500-1.jpeg)
Wie es zu der schnellen und für viele überraschenden Wende kam, blieb auch Stunden nach dem „Deal“ unklar. Bis zuletzt hatten Kanzler Olaf Scholz und seine Amtskollegen gefürchtet, Orbán könne den Beschluss mit einem Veto verhindern und die EU in eine Krise stürzen. Eiligst wurde bereits am Mittwochabend ein Vorbereitungstreffen einberaumt, auch am Donnerstag gab es eine frühe Krisenrunde.
Auf Fotos sieht man Orbán, wie er sich mit Scholz, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und einigen anderen EU-Chefs berät. Die Atmosphäre wirkt angespannt, die EU hatte mit Geldentzug und Wirtschaftssanktionen gedroht. „Casual morning conversation“ nannte Orbán das Bild, das er auf X (früher Twitter) in die Welt schickte. Doch der lockere Plausch am Morgen endete mit seiner Niederlage.
Eine jährliche Überprüfung der Ukrainehilfen hatte Orbán zuletzt gefordert. Die 50 Milliarden Euro sollten in vier Tranchen überwiesen werden, jedes Jahr hätte Ungarn ein Veto einlegen können. „Inakzeptabel“ war das für die meisten anderen EU-Granden. Am Ende ist davon so gut wie nichts übrig geblieben. Erst nach zwei Jahren will die EU nun wieder über die Ukrainehilfen diskutieren.
Europas „Souveränitätsfonds“ wird ziemlich klein
Die Hürden für eine Neubefassung sind aber hoch: Schon für das Abhalten einer Debatte müssen alle Länder zustimmen. Auch mögliche Änderungen an dem Hilfspaket erfordern Konsens, was als ausgeschlossen gilt. Orbán hat praktisch nichts erreicht, aber auch die EU hat sich selbst gebunden: Sie muss nun liefern – egal, was in der Ukraine passiert und wie knapp das Geld in Brüssel wird.
Dabei ist das auf sieben Jahre (bis 2027) angelegte Gemeinschaftsbudget, aus dem auch die Ukrainehilfe finanziert wird, auf Kante genäht. Es muss nun schon zur Halbzeit aufgestockt werden, weil die Kassen leer sind. Viele Wünsche sind dabei auf der Strecke geblieben.
Ursprünglich war geplant, mehr Geld in Migration und Innovation zu stecken. Sogar ein „Souveränitätsfonds“ war angekündigt, um mit den USA und China mitzuhalten. Doch auch davon ist kaum etwas übrig. Das meiste Geld fließt nun in die Ukraine – 17 Milliarden an nicht rückzahlbaren Zuschüssen und 33 Milliarden an Krediten.
7,6 Milliarden für Migration und Grenzschutz
Der Souveränitätsfonds wurde auf 1,5 Milliarden Euro eingedampft und soll nun vor allem für die Produktion von Munition genutzt werden. Immerhin 7,6 Milliarden sind für Migration und Grenzschutz vorgesehen – doch dafür muss beim Klima, bei der Gesundheitsvorsorge und bei der Entwicklungshilfe gekürzt werden.
Sind das die richtigen, zukunftsweisenden Prioritäten? Nein, heißt es im Europaparlament, das mehr Geld für den Klimaschutz verlangt hatte. Doch die Staats- und Regierungschefs sind mit sich und ihrer Einigung zufrieden. Und das nicht nur wegen Orbán und der Ukraine – sondern auch, weil sie die Geldwünsche aus Brüssel zusammengestrichen haben.
Die EU müsse sparen, hieß es in Berlin, für neue Aufgaben müsse das Budget umgeschichtet werden. Kanzler Scholz hat sich mit dieser Position weitgehend durchgesetzt. Weniger erfolgreich war er jedoch mit seiner Forderung, alle Länder sollten wie Deutschland mehr Geld für Waffenlieferungen in die Ukraine bereitstellen.
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