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EU-Sanktionen gegen ChinaEine halbgare Drohung

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Sanktionen helfen nicht. Die Europäische Union sollte einen eigenen Weg gehen: auf Verhandlungen und öffentlichen Druck setzen.

Protest gegen die Unterdrückung der Uiguren vor der chinesischen Botschaft in Brüssel am 02.10.2020 Foto: Nicolas Landemard/imago

W er mit chinesischen Regierungsvertretern über den Genozidvorwurf in Xinjiang debattiert, bekommt dieser Tage eine deutliche Retourkutsche: Was ein Völkermord sei, heißt es dann, würde man im Land des Holocausts ja aus der eigenen Geschichte kennen. Mit dem, was in der westchinesischen Provinz passiere, habe dies aber überhaupt nichts zu tun.

Und dennoch hat erstmals seit über drei Jahrzehnten die europäische Union Sanktionen gegen Peking verhängt. Wie so vieles, was die 27 Mitgliedsstaaten beschließen, ist auch jene historische Maßnahme vor allem eine Kompromisslösung. Als wolle man sagen: Zwar können wir Chinas Menschenrechtsverbrechen gegen die Uiguren nicht einfach hinnehmen, doch so richtig provozieren wollen wir die Volksrepublik nun auch wieder nicht.

Für Pekingkritiker werden die Sanktionen nicht weit genug gehen. Tatsächlich sind sie bei näherer Betrachtung ziemlich zahnlos: Die Vermögenswerte einiger Parteivertreter, die maßgeblich für das Lagersystem in Xinjiang verantwortlich sind, werden eingefroren, zudem dürfen sie künftig nicht mehr nach Europa einreisen. Doch gleichzeitig werden die EU-Repressionen keineswegs ihr Ziel erreichen – nämlich die Situation in Xinjiang zu verbessern. Im Gegenteil: Pekings Staatsführung muss auch weiterhin eingebunden werden – politisch wie auch wirtschaftlich. Dies wird umso wichtiger, als eine militärische Auseinandersetzung zwischen den USA und China als Damoklesschwert über der Weltbevölkerung kreist.

Ohnehin erinnern die Tendenzen in den USA, wo mittlerweile jeder in China geborene Doktorand unter Spionageverdacht steht, an die historische Kommunistenjagd unter McCarthy.Die europäische Union sollte einen eigenen Weg gehen – und auf Verhandlungen und öffentlichem Druck setzen. Denn allzu oft, so hat die Geschichte bewiesen, hat die Volksrepublik genau dann ihre Repressionen im Inland angezogen, je mehr sie sich von außen bedroht sieht.

Sanktionen sind ein dementsprechend fragwürdiger Weg, weil sie nicht selten gegenteilige Effekte erzielen. Wie zum Beweis hat Pekings Staatsführung nur wenige Stunden nach den EU-Maßnahmen ihrerseits reagiert – und Sanktionen gegen 10 europäische Politiker und Akademiker sowie 4 Institutionen verhängt. Zweifelsohne ist Chinas Reaktion unverhältnismäßig und unangemessen. Dennoch wäre es umso verheerender, wenn sich Europa auf diese gefährliche Eskalationsspirale einlässt. An dessen Ende kann es nur Verlierer geben, keine Gewinner.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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4 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die europäische Union sollte einen eigenen Weg gehen – und auf Verhandlungen und öffentlichem Druck setzen.""



    ==



    Für einen eigenen Weg ist die Europäische Union nicht mächtig genug und zu wenig erprobt, um eine Politik zu betreiben die in der Lage ist, Kräfte zu bündeln um diese Macht dann auch erfolgreich ausspielen zu können.

    Die EU ist eine Friedensunion entstanden als Antwort auf 500 Jahre europäische Kriege. Durchsetzung von Machtpolitik lernt die EU gerade - und wie die Spezialisierung der EU als Verhandler und als Mediator von Machtinteressen ohne ausreichend Macht ablaufen kann -- könnte am peinlichen Ausgang des Besuches vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau Anfang des Jahres hinlänglich besichtigt werden.

    Ansonsten hat niemand behauptet das Konzentrationslager - Xi - Jinping Auschwitz in China betreibt. Ausschwitz steht für die Verbrechen und für den Genozid der Nationalsozialisten. Xi - Jinping sollte sich an die Definitionen und die Grundlage der Resolution 180 der UN-Vollversammlung halten, in der festgestellt wird, dass „Völkermord ein INTERNATIONALES Verbrechen ist, das nationale und internationale Verantwortung von Menschen und Staaten erfordert.

    Möchte Xi - Jinping Verantwortung übernehmen hinsichtlich der Durchsetzung der Charta der UN? Nein? Danach sieht es zumindest aus.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Ja.. aber:.. China sitzt ja etwas fest in eigener Erfolgsideologie und ist taub gegenüber Kritik und Sanktionen.



      Und die EU ist schwach und lernt... !



      Wäre doch besser eine Politik im Stil



      "Wandel durch Annäherung" gegenüber China (als auch gegenüber Russland) zu



      praktizieren?. .. anstatt neue Gräben zu buddel..?

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Wo sind die historischen Beispiele die den Erfolg von Verhandlungen und öffentlichem Druck belegen? Hat man das nicht die letzten Jahrzehnte versucht? Man muss China schmerzhafte Konsequenzen aufzeigen (bspw. eine Anerkennung+Garantie für Taiwan), etc.



    Letztlich sind aber alle Vorstellungen man könnte sich langfristig mit China arrangieren eine Illusion so lange es noch eine Demokratie gibt können sich die Diktatoren ihrer Macht nie sicher sein, schließlich könnte das die eigenen Bürger inspirieren. Daher werden Diktaturen immer an der Zerstörung der Demokratie arbeiten und Demokraten müssen daran arbeiten Diktatoren zu stürzten wollen sie überleben. Wir sollten uns nicht aus Gier oder Feigheit dieser Erkenntnis verweigern.

  • "Die Vermögenswerte einiger Parteivertreter, die maßgeblich für das Lagersystem in Xinjiang verantwortlich sind, werden eingefroren, zudem dürfen sie künftig nicht mehr nach Europa einreisen. "

    Um welche Vermögenswerte handelt es sich? Wer sind die Parteivertreter? Inwiefern sind die sanktionierten Personen für das "Lagersystem in Xinjiang" verantwortlich? Inwiefern sieht sich die EU und nicht Den Haag für mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in China zuständig? Welche Beweise für Menschenrechtsverletzungen in China hat die EU in ihren aktuellen Beschluss über die Sanktionen gegen China angeführt?