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EU-Parlament will „Basiskonto“Ein Konto für jeden in Europa

Das EU-Parlament fordert ein kostenloses Basiskonto für alle – jeder soll bargeldlos zahlen können. Können die Abgeordneten ihren Vorschlag durchsetzen?

Bankautomat: Jeder soll randürfen. Bild: dpa

STRASSBURG taz | 58 Millionen EU-Bürger haben nach Schätzungen der Weltbank kein Bankkonto, in Deutschland sollen es etwa 700.000 sein. Ohne Konto kein Arbeitsvertrag, kein Mietvertrag, keine Teilhabe am Wirtschaftssystem, das zunehmend bargeldlos funktioniert. Das kann nicht sein, sagt man sich auf europäischer Ebene. Das EU-Parlament hat sich am Donnerstag für die Einführung eines „Basiskontos“ ausgesprochen.

Ein Basiskonto soll kostengünstig oder -frei und ohne große Zugangshürden sein. Für die Konteneröffnung soll nur noch ein Identitätsnachweis nötig sein, nicht aber eine feste Adresse. Flüchtlinge, Obdachlose oder Austauschstudenten ohne dauerhaften Wohnsitz würden profitieren. Nur beim Verdacht auf kriminelles Handeln kann der Zugang verwehrt werden. Ein zweites Konto darf man nicht besitzen.

Weiter sieht die Richtlinie vor, dass die Gebühren transparenter kommuniziert werden. Außerdem soll der Kontenwechsel innerhalb der EU leichter werden. Dem deutschen EU-Abgeordneten der Linkenfraktion und Berichterstatter in dieser Angelegenheit, Jürgen Klute, schwebt eine Lösung analog zum Nachsendeservice der Post vor. Es gehe nicht um Sozialpolitik, wurde in der Debatte im Parlament mehrfach betont.

Vielmehr soll der EU-Binnenmarkt gestärkt werden. „Ein Student, der nach Italien zieht, darf nicht lange um ein Konto kämpfen müssen. Das hat in der EU von heute nichts zu suchen“, sagt Klute.

Flüchtlinge können profitieren

Strittig ist, ob alle Banken eines Landes das Basiskonto anbieten müssen. Klute fürchtet Stigmatisierung der Menschen, die wegen finanzieller Probleme nur ein Basiskonto haben. Langfristig erwartet er aber eine gemischte Klientel, zu der auch Menschen gehören, die wenig mit Banken zu tun haben wollen.

Gegner der europaweiten Einführung ist die deutsche Kreditwirtschaft, ein Zusammenschluss von Bankenverbänden. Sie hält das Konto in Deutschland für überflüssig. Mit dem „Girokonto für jedermann“ der deutschen Kreditwirtschaft gebe es hier schon ein niederschwelliges Angebot.

Allerdings liege es bei der Bank, ob ein Konto ohne Adresse oder Aufenthaltstitel gewährt werde, sagt ein Sprecher. Die meisten Menschen ohne Konto leben laut EU-Parlamentariern in Bulgarien und Rumänien. Europarat, Parlament und Kommission wollen das Thema noch in dieser Legislaturperiode abschließen.

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5 Kommentare

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  • K
    Kontenfrei

    ich finde es erschreckend und belastend daß ich so quasi gezwungen werde, bargeldlos zu agieren!OBWOHL ich die andere Seite schon zu genüge kennengelernt habe! Nämlich: ohne Konto am "leben" zu bleiben. Es ist verdammt schwer und KOSTET!!

    Nur umrissen wovon ich rede: ich,deutsch, 55J. bin selbständig,über 6 Jahre - vor Anderthalb Jahren dann der Einbruch - ein zweites Geschäft mußte ich schließen, das HAuptgeschäft läuft gut wurde aber dadurch in Mitleidenschaft gerissen....Schulden beim Finanzamt bis hin zur Kontopfändung - Insolvenzantrag...ich konnte das alles abwehren und nach einer Liquiditätsprüfung vom Finanzamt weitermachen....ohne Konto! Selbst meine Abzahlungen an das Finanzamt muß ich über die Konten von Verwandten machen, weil auch Bar-Einzahlungen beim Finanzamt nicht mehr möglich sind. Sämtliche Zahlungen, das Geschäft betreffend müssen über diese Verwandten laufen....Von mehreren Firmen...bekomme ich dafür bis zu 10 Euro aufgebrummt, da ich nicht an dem Lastschriftverfahren teilnehmen kann. Und bei Bar-Einzahlungen wissen wir ja alle - richten sich die Kosten nach der Einzahlungssumme. Und die sind nicht zu knapp! Auch die kleinen Dinge, wie z.B. Kleingeld fürs Geschäft kosten eine Gebühr die sich wiederum an der Menge dessen orientiert wieviel Kleingeld ich benötige. Als Selbständiger ohne Konto ist das Leben und arbeiten in Deutschland sehr teuer! Bald habe ich es geschafft - bin aber mal gespannt wie mit mir verfahren wird wenn denn nun alles abgezahlt ist und ich aufs Neue um ein Konto bitte. Hier möchte ich einmal anmerken, daß die Sparkasse und die Postbank sofort die Konten gekündigt haben. Die Volksbank hielt das gesperrte Konto wenigstens aufrecht. Obwohl ich bei keinem der Konten im Soll war.

  • S
    Sveni

    Der "Europarat"?

    Wer will das Konto einführen, der Europarat (47 Mitglieder) oder die EU (27 Mitglieder)?

    Wenn es die EU ist, müsste der Europäische Rat (Ministerrat) zustimmen.

  • B
    BernieRuno

    BIG Brother hat vollkommen Recht. Das Bargeld soll möglichst abgeschafft werden, da "hinter" dem "Buchgeld" der Konten keinerlei Werte stehen ! Dieses System läßt sich mittelfristig ur aufrechterhalten, falls das gesetzliche Zahlungsmittel (Tasächlich sind dies nur Scheine und Münzen - NICHT der "Wechsel" des Buchgeldes von einem Konto zu einem anderen Konto - Überweisung genannt) nicht mehr genutzt wird !

  • BB
    big brother

    nein, es geht nicht darum, dass jeder 'bargellos zahlen kann', sondern es geht dahin, dass in zukunft jeder bargeldlos zahlen MUSS - damit man auch die letzten systemverweigerer kontrollieren kann

     

    big brother

    • AL
      Aus LB
      @big brother:

      http://www.basis-konto.de ist das die offizielle seite dafür?

      Mit freundlichen Grüßen