EU-Parlament verurteilt Griechenland: Schallende Ohrfeige für Athen
Das Europaparlament verwarnt Griechenland und seine Regierung wegen antidemokratischer Tendenzen. Das könnte finanzielle Konsequenzen haben.
Für die Regierung in Athen unter dem konservativen Premierminister Kyriakos Mitsotakis ist das eine schallende Ohrfeige – und könnte finanzielle Konsequenzen haben.
Die Entschließung wurde von vier Fraktionen im Europäischen Parlament gemeinsam eingebracht: Linke, Grüne, Sozialdemokraten und die liberale Renew. 330 Abgeordnete stimmten am Mittwochnachmittag für die Annahme, 254 dagegen, 26 Abgeordnete enthielten sich. Zuvor hatten Menschenrechts- und Pressefreiheitsorganisationen einen Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gerichtet, in dem sie in der Causa Griechenland „ein sofortiges Handeln der Kommission“ fordern.
Seit dem 8. Juli 2019 regiert die konservative Nea Dimokratia (ND) unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis in Athen. Sie wurde Ende Juni vorigen Jahres wiedergewählt und kann bis 2027 weiter alleine in Athen regieren.
Korruption in Griechenland hoch, bestätigt NGO
Die Liste der Verfehlungen Griechenlands ist lang: Zunehmende Korruption und Intransparenz, wiederholte Angriffe auf die Pressefreiheit, Verletzung von individuellen Grundrechten im Zuge eines gigantischen Abhörskandals, ausufernde Polizeigewalt, fehlende demokratische Kontrolle und eine zunehmende Aushöhlung des Rechtsstaats in der Ära Mitsotakis.
Bereits in der vorigen Woche hatte es für Griechenland schlechte Nachrichten gehagelt. In der von der Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) für das Jahr 2023 veröffentlichten Weltrangliste der Korruption belegt Griechenland Platz 59 unter 180 Ländern. Demnach weist Hellas einen TI-Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von 49 Punkten aus. Ein CPI von 100 bedeutet, dass ein Land völlig korruptionsfrei ist, null Punkte stehen für total korrupt.
Griechenland habe ein „ernsthaftes Korruptionsproblem“, stellt TI fest. Unter den 27 EU-Ländern liegt Griechenland auf Platz 24. Nur Rumänien, Bulgarien und Ungarn schneiden noch schlechter ab. Und im Vergleich zum Vorjahr ist Hellas in der TI-Weltrangliste im Vergleich zum Vorjahr um acht Plätze abgestürzt.
Woran das liegt, ist im TI-Bericht nachzulesen: „Die Folgen des mutmaßlich illegalen Abhörens der Kommunikation von Journalisten und Politikern durch die Regierung (Mitsotakis), die Angriffe auf die Pressefreiheit und die eingeschränkte Unabhängigkeit der Justiz haben zum steilsten Rückgang der Rechtsstaatlichkeit in der EU beigetragen.“ Die Sorge von TI wachse außerdem „wegen der exzessiven Einmischung der Regierung in den Abhörskandal mit Berichten über Drohungen gegen Mitglieder der unabhängigen Aufsichtsbehörde sowie die Behinderung von Zeugen.“
Auch die aktuelle Weltrangliste von „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) wirft kein gutes Licht auf Griechenland in Sachen Pressefreiheit. Mit 55,2 Punkten von höchstens 100 Punkten rangiert das Land auf dem beschämenden 107. Platz – EU-Schlusslicht. In der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit belegte Griechenland 2019 – bevor die Regierung Mitsotakis das Zepter in Athen übernahm – noch Platz 65. Damit ist Hellas in der Ära Mitsotakis im Länderranking der Pressefreiheit in vier Jahren um insgesamt 42 Plätze abgestürzt.
Mord an zwei Journalisten in Hellas blieb ungestraft
Wie ernst die Lage in puncto Pressefreiheit am Peloponnes derweil ist, hat das in Leipzig ansässige Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) untersucht. In einem in diesen Tagen veröffentlichten Sonderbericht heißt es unter anderem: „Griechenland ist das einzige EU-Land, in dem derzeit in zwei Fällen die Mörder von Journalisten nicht bestraft worden sind.“ Und: „Fast kein anderes Land in der EU verzeichnet eine so hohe Anzahl von physischen Angriffen auf Journalisten.“ Ferner gebe es eine hohe Zahl von Klagen gegen Medienschaffende (sogenannte SLAPPs), moniert der Sonderbericht.
Den Hebel, um Griechenland wieder auf den Pfad der Transparenz, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit zu bringen, sieht das Europaparlament in den üppigen EU-Geldern für Griechenland. Von 2021 bis 2027 sollen EU-Mittelzuweisungen im Gesamtvolumen von 57,35 Milliarden Euro nach Athen fließen. Das entspricht Jahr für Jahr rund vier Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts. Für Mitsotakis und seine Regierung ist dieser Geldregen ein Segen. Kein Land erhält gemessen an seiner Wirtschaftsleistung so viel wie Hellas aus den EU-Töpfen.
Dass die EU diesen Hebel auch nutzen kann, hat sie bereits bewiesen: Wegen Mängeln in der Rechtsstaatlichkeit wurden bereits Mittel für Polen und Ungarn zurückgehalten, um zur Beseitigung von Missständen in der dortigen Justiz und Medienlandschaft anzuregen. Das Europaparlament ruft in seiner Entschließung nun die Europäische Kommission dazu auf, zu überprüfen, ob dieses Druckmittel auch im Fall Griechenland anzuwenden ist.
Ein Hinweis, wie viel in Sachen Pressefreiheit in Griechenland im Argen liegt, zeigt ein Blick in die Donnerstagsausgaben der griechischen Presse: Über die Verurteilung Griechenlands durch das Europaparlament hüllte sich das Gros der Medien in Schweigen.
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