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EU-KommissionVon der Leyen übersteht Misstrauensantrag

Ursula von der Leyen und ihre EU-Kommission mussten sich erstmals der Abstimmung über einen Misstrauensantrag stellen. Das Ergebnis ist eindeutig.

Ursula von der Leyen mit EU-Heiligenschein Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Straßburg dpa | Der Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission von Ursula von der Leyen ist gescheitert. Bei der Abstimmung im Europaparlament in Straßburg votierten lediglich 175 Abgeordnete für den Vorstoß aus dem rechten Lager. 360 lehnten ihn ab, 18 enthielten sich.

Insgesamt stimmten 553 der derzeit 719 Parlamentarier ab. Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wären zwei Drittel der abgegebenen Stimmen – ohne Enthaltungen – nötig gewesen, mindestens aber 360.

Eingereicht hatten den Misstrauensantrag 77 Parlamentarier, darunter die 15 deutschen AfD-Abgeordneten sowie Politiker der Partei Rassemblement National (RN) von Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie werfen von der Leyen und ihrem Team Intransparenz und Missmanagement vor – insbesondere mit Blick auf die Corona-Politik. Wäre der Misstrauensantrag angenommen worden, hätte die EU-Kommission geschlossen zurücktreten müssen.

Bei einer Aussprache am Montagabend hatte von der Leyen ihren rechten Kritikern vorgehalten, Verschwörungen anzuheizen und selbst keine Antworten auf politische Probleme zu haben. Es gebe reichlich Beweise, dass viele der extremen Kräfte von Feinden unterstützt würden, ob die Strippenzieher nun in Russland säßen oder anderswo, sagte sie.

Belastungsprobe für von der Leyen

Für die deutsche CDU-Politikerin, die der europäischen Parteienfamilie EVP angehört, war der Vorstoß aus dem rechten Lager trotz geringer Erfolgsaussichten eine Belastungsprobe. Grund ist, dass die 66-Jährige mit manchen Initiativen zuletzt auch bei ihr eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut sorgte.

So war die Aussprache im Plenum am Montagabend auch von den Sozialdemokraten und Liberalen für Anschuldigungen gegen von der Leyen und das Mitte-Rechts-Bündnis EVP genutzt worden. Sie kritisierten, dass die EVP zuletzt mehrfach in Kauf genommen hatte, dass politische Projekte mit Stimmen aus dem Rechtsaußen-Lager vorangebracht wurden.

Die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García fragte an die EVP gerichtet: „Mit wem wollen Sie regieren? Mit wem wollen Sie Europa zerstören oder mit wem kämpfen wir jeden Tag, um es aufzubauen?“ Die liberale Fraktionsvorsitzende Valérie Hayer (Renew) sagte: „Heute, Frau Präsidentin, sehen Sie die Sackgasse, in die Sie und Ihre politische Familie geraten sind, weil Sie zugelassen haben, dass die EVP Zweckbündnisse mit der extremen Rechten eingeht.“

Brisant waren die deutlichen Äußerungen, weil die EVP eigentlich eine Art informelle Koalition mit den europäischen Sozialdemokraten und Liberalen hat. Sie ist auf die Stimmen dieser Parteien angewiesen, wenn sie politische Projekte ohne Stimmen von Rechtsaußen durchbringen will.

Von der Leyen bei Sitzung nicht anwesend

Während der Abstimmung an diesem Donnerstag war von der Leyen nicht im Parlament. Sie nahm stattdessen an der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Rom teil. Nach Darstellung des deutschen SPD-Politikers René Repasi machte von der Leyen allerdings vor dem Votum Zugeständnisse und sicherte unter anderem zu, dass auch im nächsten langfristigen EU-Haushalt Geld für den sogenannten Europäischen Sozialfonds (ESF) eingeplant wird. Der ESF ist ein Instrument zur Beschäftigungsförderung und soll unter anderem Ausbildung und Qualifizierung unterstützen.

Misstrauensanträge gegen die Kommission sind äußerst selten. Zuletzt waren Rechtspopulisten 2014 mit einem Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission um Jean-Claude Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich 101 Abgeordnete für den Vorstoß aus dem EU-kritischen Lager. 461 lehnten ihn ab, 88 enthielten sich.

Hintergrund des Misstrauensantrags waren damals Enthüllungen über Steuervorteile für international tätige Großkonzerne in Luxemburg. Juncker war knapp 19 Jahre lang Regierungschef des Großherzogtums gewesen. Kritiker warfen ihm deswegen „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ von Unternehmen vor.

Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von dem Luxemburger Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.

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4 Kommentare

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  • Eine „Leerstunde“ in Sachen repräsentativer Demokratie.

    Über 20-Prozent der gewählten MandatsträgerInnen stimmen gar nicht ab. Ob die alle eine Krankschreibung oder anderen Entschuldigungsgrund hatten oder schlicht die Arbeit verweigert haben, bleibt unklar.

    Sozialdemokraten und Liberale kritisieren die Arbeit der Kommission und ihrer Präsidenten, stimmen dann aber trotzdem für sie ab. Ob sie keine Alternative hatten, keinesfalls mit den Rechten abstimmen wollten oder nur eine weitere Schmach der Europäischen Parlaments verhindern wollten, bleibt unklar.

    Wider ein Versprechen, dass das Parlament die neuen Kommission autonom wählen dürfen, hatte der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs von der Leyen 2019 ins Amt gehievt. Damit die Abgeordneten sie wählen, hat von der Leyen dem Parlament ein Gesetzesinitiativrecht versprochen, bisher aber keine entsprechende Initiative ergriffen.

    Warum sie bei Europawahlen ihre Stimme abgeben, können sich alle EU-BürgerInnen selber fragen.

  • Also kommt sie mit Ihrem Verhalten davon, weil sie auf der richtigen Seite ist?

    • @Carsten1250:

      Sie meinen, die Rechtspopulisten hatten recht?

    • @Carsten1250:

      Die ist bislang immer davongekommen. Ihre Affären um verschwundene SMS in Deutschland und auch in ihrem jetzigen Amt blieben allesamt folgenlos. Diese Frau ist eine totale Fehlbesetzung, nicht nur in der EU Kommission. Sie hat sie keinen Plan für irgendwas, außer für ihr eigenes Erscheinungsbild.