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EU-Kommission stellt Gesetzentwürfe vorEine Ampel für Digital-Konzerne

Die EU-Kommission will große Tech-Konzerne wie Google und Amazon stärker kontrollieren. Kritiker:innen gehen die Pläne noch nicht weit genug.

Will für neue Regeln sorgen: Margrethe Vestager bei der Vorstellung der Pläne in Brüssel Foto: Olivier Matthys/reuters

Berlin taz | Die EU-Kommission will große Konzerne und Online-Plattformen stärker regulieren. Ein Digitale-Dienste-Gesetz und ein Digitale-Märkte-Gesetz sollen unter anderem für mehr Transparenz für Nutzer:innen sorgen und verhindern, dass Unternehmen durch Übernahmen kleiner Konkurrenten zu problematischer Größe anwachsen und ihre Marktmacht ausnutzen können.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verglich die Pläne bei der Vorstellung am späten Dienstag mit der ersten Verkehrsampel, die als Reaktion auf ein Zunehmen des Autoverkehrs installiert wurde. „Wir müssen jetzt Regeln machen, um Ordnung ins Chaos zu bringen.“ Jeder wisse heute, was eine rote Ampel bedeute, und das Gleiche erwarte sie für den Markt.

Das Projekt ist eines der Kernvorhaben der EU-Kommissions­präsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Es ist auch eine Reaktion darauf, dass auf EU-Ebene bereits zahlreiche Kartellverfahren gegen globale Konzerne aus dem IT-Bereich anhängig sind. So laufen aktuell allein drei Verfahren gegen Google, dazu kommen weitere unter anderem gegen Facebook und Amazon. „Und wir bekommen immer mehr Beschwerden“, sagte Vestager. Mit den vorgestellten Gesetzentwürfen wolle man ein „Umkippen“ weiterer Märkte verhindern.

Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz wollen Vestager und ihr Kollege, Digitalkommissar Thierry Breton, drei Ziele erreichen. Erstens: mehr Sicherheit für Nut­ze­r:in­nen. Das betrifft unter anderem den Kauf von Produkten. Aktuell lassen sich über Plattformen wie den Marktplatz von Amazon leicht Produkte finden, die nicht den EU-Standards entsprechen, etwa was die Sicherheit der Elektrik angeht. Die Plattformen fühlen sich nicht dafür verantwortlich, konsequent dagegen vorzugehen.

Zweitens: mehr Transparenz. „Plattformen müssen mitteilen, wie ihre Algorithmen funktionieren“, erklärte Vestager. Bisher würden einige Plattformen ihre Dienste gegenüber den Angeboten der Konkurrenz bevorzugen. Drittens: die Durchsetzung dieser Regeln. Verstößt ein Unternehmen dagegen, sind Bußgelder in Höhe von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vorgesehen.

Regeln für Gatekeeper

Das Digitale-Märkte-Gesetz konzentiert sich derweil auf Gatekeeper – also Plattformen, die so marktmächtig sind, dass sie etwa bei der Verbreitung von Inhalten die Rolle eines Torhüters übernehmen. „Die Großen haben ganz klar mehr Verantwortung“, sagte Breton. Das wird viele Bereiche betreffen; ein Beispiel: Marktmächtige Unternehmen sollen von ihren gewerblichen Nutzern erhaltene Daten nicht verwenden dürfen, um ihnen Konkurrenz zu machen.

Das würde etwa Amazon betreffen. Das Unternehmen ist mit seinem Marktplatz sowohl eine Plattform für andere Händler als auch selbst Verkäufer. Immer wieder gibt es Beschwerden darüber, dass das Unternehmen Waren, die sich bei Marktplatz-Händlern besonders gut verkaufen, einfach selbst anbietet – und andere Händler damit verdrängt.

Welche Unternehmen als Gatekeeper eingestuft werden, ist noch nicht klar. Kriterien sollen unter anderem der Jahresumsatz und die Zahl der Nutze­r:in­nen sein. Hier nennt die EU-Kommission die Zahl von monatlich 45 Millionen aktiven Nutze­r:in­nen innerhalb der EU. Zum Vergleich: Die Zahl der monatlich aktiven Facebook-Nutzer:innen in der EU liegt bei mehr als 300 Millionen.

„Es sind viele gute Ansätze drin, aber häufig ist die Kommission auf halber Strecke stehengeblieben“, kritisiert der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken, der sich als Berichterstatter für den Initiativbericht des Rechtsausschuss mit dem Thema befasst. Drei solcher Ini­tia­tiv­be­richte hat das EU-Parlament an die Kommission bereits geschickt und darin Empfehlungen für die neue Regulierung formuliert.

Beispiel Online-Werbung: Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, dass Nutzer:innen darüber informiert werden, warum eine Werbung angezeigt wird. „Diese Transparenz hätten wir vor zehn Jahren gebraucht“, sagt Wölken. In Anbetracht der Entwicklung müsse es nun darum gehen, personalisierte Werbung komplett zu verbieten. „Damit würde vielen problematischen Geschäftsmodellen der Boden entzogen werden.“

Offene Fragen

Auch die grüne Europaabgeordnete Alexandra Geese kritisiert, dass personalisierte Werbung und Tracking weiter erlaubt bleiben sollen. Sie fordert deutlich strengere Regeln: „Wir müssen die Wildwestmanier der großen Online-Plattformen beenden und sie zur Rechenschaft ziehen.“ Positiv sei hingegen, dass unter anderem Transparenzregeln für Algorithmen vorgesehen sind, etwa wenn es darum geht, welche Produkte ei­ne:r Ver­brau­cher:in empfohlen werden.

Kritik kommt auch vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): Zwar gingen einige der Vorschläge in die richtige Richtung. Doch es bleibe auch noch einiges offen: Etwa wie sichergestellt werden soll, dass Online-Netzwerke rechtswidrige Inhalte löschen, dabei aber legale Inhalte stehen lassen, auch wenn es Beschwerden gibt.

Als „wichtigen Schritt vorwärts“ bezeichnet die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) das Vorhaben. Ein ambitionierter Plan, um das Internet offen, gerecht und inklusiv zu gestalten, sei es aber nicht. „Um den Menschen die Kontrolle über ihr Leben in der digitalen Welt zu geben und systematische Änderungen zu erreichen, wird noch viel Arbeit notwendig sein“, meint EDRi-Experte Jan Penfrat.

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1 Kommentar

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  • Dieser Artikel gehört in die Rubrik "Netzpolitik", nicht in "Netzökonomie". Oder Ihr hebt diese unsinnige Trennung endlich mal auf.