EU-Gipfel zu Migration: Gift für die Beziehungen zu Afrika
Mit immer mehr Zäunen und Mauern will die EU Flüchtende abwehren. Die brutale Migrationspolitik kommt in Afrika nicht gut an.
W er den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach dem EU-Gipfel diese Woche reden gehört hat, musste sich fragen, wo der Mann die letzten Jahre war. Endlich, so resümierte er, „haben wir es geschafft, dass das Thema Migration wieder auf der Agenda stand“. Endlich gebe es eine „klare Sprache zur Asylbremse“, endlich das „Commitment, dass alle Außengrenzen im Fokus sind.“ Tatsächlich steht all das seit Jahren ununterbrochen bei den EU-Gipfeln auf der Agenda, und Nehammer weiß das ganz genau.
Er und der deutsche EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hatten vor dem Gipfel gefordert, dass die EU künftig Zäune an ihren Außengrenzen bezahlen soll, was andere Staaten und die Kommission ablehnen. Dieser Streit dominierte die Berichterstattung. Tatsächlich gibt es diese Zäune längst, etwa in Polen, Spanien und Bulgarien. Seit 2014 ist die Länge von Grenzmauern in der EU von 315 auf 2.048 Kilometer angestiegen, wie Lucas Rasche vom Delors-Institut vorrechnete.
Sie wurden bezahlt aus den nationalen Haushalten, die gleichzeitig Millionensummen für andere Grenzschutzmaßnahmen aus Brüssel bekommen. Der Zaun-Streit ist künstlich aufgebauscht. Die Konservativen reagieren damit auf den Druck von der extrem rechten Konkurrenz. Und die, die dagegenhalten, wie Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel – der eine „Mauer mit den EU-Sternen drauf“ eine „Schande“ nannte – oder die deutsche Ampelregierung, tragen andere Maßnahmen, die mit Leid, Gewalt und Entrechtung verbunden sind, schlichtweg mit.
Pushbacks werden hingenommen, die Kooperation mit Libyens Küstenwache institutionalisiert – eben erst wurde das erste von fünf mit EU-Geldern finanzierten Schiffen geliefert. Internierung wird zur Regel. Die meisten der Instrumente, auf die die EU jetzt setzen will, hat sie seit 2016 aufgebaut und will sie nun verstärken. Zum einen die weitere technische Aufrüstung der Grenze, die Gewalt und Leid hochtreibt.
Denn die Ankunftszahlen drückt technische Abschottung nur, wenn man gleichzeitig das Recht auf eine Asylprüfung verweigert – wie es faktisch in Melilla, Polen, Kroatien und der Ägäis geschieht. Andernfalls müsste man die Menschen an den regulären Grenzübergängen reinlassen. Zweitens will die EU Herkunfts- und Transitstaaten, die bei Abschiebung und Abschottung nicht spuren, in der Handels-, Visa- und Entwicklungspolitik stärker unter Druck setzen.
Das ist Gift für die Bemühungen um ein partnerschaftliches Verhältnis mit Afrika. Denn dort konkurriert die EU mit Milliardeneinsatz mit China, Russland, der Türkei und Indien – und hat dabei auch wegen ihrer brutalen Migrationspolitik immer schlechtere Karten.
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