Menschenrechte von Migrant:innen: Helfer:innen kriminalisiert
Ein UN-Bericht bestätigt: In Griechenland werden Migrantenhelfer:innen systematisch bedroht. Seit 2020 setzt Athen auf illegale Pushbacks.
Lawlor hatte ihre Recherchen in der vergangenen Woche dem UN-Menschenrechtsrat präsentiert. „Menschenrechtsanwälte, humanitäre Helfer, Freiwillige und Journalisten, die im Bereich der Migration tätig sind, sind in schockierendem Ausmaß Verleumdungskampagnen, einem sich verändernden rechtlichen Umfeld, Drohungen und Angriffen sowie dem Missbrauch des Strafrechts gegen sie ausgesetzt“, heißt es in dem Bericht.
Hintergrund ist, dass die konservative griechische Regierung seit etwa 2020 offen auf massenhafte, illegale Pushbacks von Ankommenden in der Ägäis und am Grenzfluss Evros setzt. Kritik daran versuche die Regierungen mit Angriffen auf die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen, so Lawlor.
Migrantenhelfer:innen landen vermehrt vor Gericht
Seit Jahren verzeichnen zivilgesellschaftliche Gruppen immer neue Anklagen gegen Geflüchtete wegen angeblicher Schlepperei. Zuletzt nahmen auch die Verfahren gegen Helfer:innen zu. Im Januar 2023 gab es einen ersten Prozesstermin gegen 24 humanitäre Helfer:innen um den Deutsch-Iren Sean Binder und die Syrerin Sarah Mardini auf Lesbos.
Kurz danach erregte das Verfahren gegen vier Migrantenrechtsaktivist:innen um den Griechen Panayote Dimitras und den Norweger Tommy Olsen Aufsehen. Sie wurden auf der Insel Kos angeklagt, weil sie eine „kriminelle Organisation“ gegründet hätten, um „die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen auf griechischem Gebiet zu erleichtern“.
Tatsächlich hatten sie den Ankommenden beim Asylverfahren geholfen. Die UN-Berichterstatterin Lawlor hatte dies als „missbräuchliche Anwendung des griechischen Rechtsrahmens“ kritisiert. Was die Angeklagten im Rahmen ihrer Arbeit als Menschenrechtsverteidiger getan hätten, sei „ein nach europäischem und internationalem Recht garantiertes Recht“, so Lawlor.
In einer Stellungnahme der Organisation Human Rights Watch heißt es, die griechische Regierung sollte „die Empfehlungen des UN-Experten unverzüglich umsetzen und unter anderem ausstehende Strafanzeigen und Ermittlungen gegen Rechtsverteidiger einstellen“.
Die NGO Civicus, die die Entwicklung bürgerlicher Freiheiten weltweit dokumentiert, stufte die Lage für die Zivilgesellschaft Griechenland in der vergangenen Woche auf „beeinträchtigt“, die dritte von fünf Kategorien herab.
Auch die EU-Kommission hatte im Juli 2022 festgestellt, dass der Spielraum für Gruppen, die mit Migranten und Asylbewerbern arbeiten, in Griechenland immer enger wird. In der kommenden Woche veranstaltet die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin ein Symposium mit Vertretern der griechischen Zivilgesellschaft, die von einer „Orbanisierung“ Griechenlands sprechen.
Die Pressefreiheit ist in Griechenland bedroht
Lawlors Bericht verweist auch auf die Einschränkung der Medienfreiheit durch die griechischen Behörden, den fehlenden Medienpluralismus und den Skandal um die Überwachung auch von Journalisten mit der „Predator“-Software. „Nachrichten, die unbequem oder wenig schmeichelhaft für die Regierung sind, einschließlich Berichten über schwere Menschenrechtsverletzungen, werden in vielen Medien nicht ausreichend berücksichtigt“, so der Bericht. „Journalisten wurden auch mit Strafverfahren und strategischen Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit konfrontiert, weil sie über Korruption und Umweltverschmutzung berichteten.“
Im Bericht von Reporter ohne Grenzen aus dem Jahr 2022 über den Pressefreiheitsindex fiel Griechenland innerhalb eines Jahres um 38 Positionen auf Platz 108 von 180 Ländern und ist damit das am schlechtesten bewertete Land der Europäischen Union.
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