EU-Gipfel beschließt Euro-Sicherheitsnetz: Die Angst vor den Staatspleiten
Die EZB schlägt in der Euro-Krise Alarm. Und die EU-Staats- und Regierungschefs versuchen es mit Geschlossenheit. Ihre Botschaft an die Finanzmärkte soll unmissverständlich klingen.
BRÜSSEL/FRANKFURT/MAIN dpa | Die Euro-Staaten sind zu weiteren Not-Hilfen für die Rettung der gemeinsamen Währung bereit. Eine Aufstockung des 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirms wird es aber derzeit nicht geben. Um den Euro vor Angriffen der Finanzmärkte zu schützen, beschloss der EU-Gipfel in Brüssel, von 2013 an ein dauerhaftes Sicherheitsnetz für Pleite-bedrohte Staaten wie Griechenland aufzuspannen. Fast zwölf Jahr nach Gründung der Währungsunion wappnet sich die Europäische Union damit für den Ernstfall eines Staatsbankrotts in den eigenen Reihen.
Unmittelbar vor Gipfelbeginn zeigte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag den Ernst der Lage auf: Die EZB muss ihr Kapital fast verdoppeln, um sich gegen einen möglichen Totalausfall von aufgekauften Staatsanleihen angeschlagener Staaten abzusichern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zufrieden: "Wir haben wichtige Beschlüsse gefasst für die Zukunft des Euro."
Dazu zählte sie vor allem den neuen vereinbarten Krisenmechanismus. "Weil wir uns damit verpflichten, die Stabilität des Euro als ganzes sicherzustellen", sagte sie und hob ausdrücklich die Anstrengungen der finanzschwachen Staaten wie Portugal, Spanien und hervor, die Haushalte in Ordnung zu bringen.
Für Deutschland war in puncto Krisenmechanismus wichtig, dass er nur dann greifen soll, wenn die Eurozone als Ganze bedroht ist. Außerdem sollen Hilfen nur unter strengen Bedingungen geben. Einigkeit besteht auch darüber, dass private Gläubiger - anders als von Deutschland ursprünglich gewünscht - nicht automatisch, sondern nur von Fall zu Fall die finanziellen Lasten mittragen sollen.
Die Staats- und Regierungschefs einigten auf Eckpunkte, um den Stabilität des Euro zu sichern. Zentral ist die Zusicherung der finanziellen Solidarität mit den angeschlagenen Partner. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte: "Wir sind bereit, alles Nötige zu tun, um die finanzielle Stabilität in der Eurozone und der EU zu sichern." Der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte zu weiteren Not-Hilfen: "Das Problem einer Aufstockung des Fonds stellt sich heute nicht."
Derzeit räumen die Eurostaaten für den Krisenfonds EFSF Garantien von bis zu 440 Milliarden Euro ein. Insgesamt hat der Rettungsschirm ein Volumen von 750 Milliarden Euro; für den Rest stehen der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission ein. Der neue Krisenmechanismus soll Mitte 2013 an die Stelle des momentanen Rettungsschirms treten.
Als Rechtsgrundlage dafür dient eine vom Gipfel auf den Weg gebrachte kleine Änderung des EU-Vertrags: Die Bundesregierung fürchtete, ohne diese Klarstellung könne das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Klage deutsche Hilfszahlungen für illegal erklären.
Wegen unabsehbarer Risiken aus der gewaltigen Staatsverschuldung in der Eurozone muss die EZB - als Hüterin der gemeinsamen Währung - ihr Grundkapital zum 29. Dezember auf 10,8 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.
Bisher ist es vor allem die von den Regierungen unabhängige Zentralbank, die zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung beiträgt. Denn jede Woche kauft die EZB Staatsanleihen von Euro-Staaten mit hoher Verschuldung in Milliardenhöhe auf. Jetzt muss die Notenbank ihre Eigenkapitalbasis stärken, um ihr Ankaufprogramm besser mit Kapital zu unterlegen. Bei einigen Papieren drohen massive Wertverluste.
Irland war als erstes Land unter den Rettungsschirm geschlüpft. Es wird spekuliert, dass das hochverschuldete Portugal im neuen Jahr auch dazu gezwungen sein könnte.
Zugleich droht die Ratingagentur Moody's Griechenland eine erneute Herabstufung der Kreditwürdigkeit an. Griechische Anleihen haben schon jetzt Ramschstatus.
Seit Wochen steht die Gemeinschaftswährung wegen der Krise unter Druck. Der Euro verlor am Donnerstag an Wert und pendelte gegenüber dem US-Dollar um 1,32 Euro.
Vor dem Gipfel bemühten sich die Staats- und Regierungschefs, die jüngsten Streitigkeiten auszuräumen. Dabei ging es vor allem um Euro-Anleihen, die von Deutschland und Frankreich strikt abgelehnt werden. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker macht sich weiter dafür stark: "Die Idee trifft auf Zustimmung von vielen, aber nicht von allen."
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