EU-Bericht zu Rechtsstaatlichkeit: Zu kurze „Abkühlphasen“

Der neue Rechtsstaatsbericht der EU-Kommission kritisiert nicht nur Ungarn und Polen. Auch Deutschland steht im Visier – wegen Lobbyismus.

Portrait von Ursula Von der Leyen

Schont sie Viktor Orban? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: Geert Vanden Wijngaert/ap

BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission macht sich Sorgen um den Rechtsstaat in Ungarn und Polen, sogar Deutschland könnte noch mehr tun. Dies geht aus dem neuen Rechtsstaatsbericht hervor, den die Behörde am Mittwoch veröffentlicht hat. Doch konkrete Maßnahmen gegen Justizwillkür, Korruption oder die Gängelung der Medien lassen die Kommissare vermissen.

In Ungarn rügt die EU-Behörde „hochrangige Korruptionsfälle“, die nicht oder nur unzureichend verfolgt würden. In Polen prangert die Kommission erneut staatliche Eingriffe in die Justiz an. Dies hielt Behördenchefin Ursula von der Leyen aber nicht davon ab, bei einem Besuch in Warschau die Auszahlung von EU-Geldern anzukündigen.

Widersprüchlich fällt auch das Urteil zu Deutschland aus. Einerseits stellt die Kommission dem deutschen Rechtsstaat ein gutes Zeugnis aus. Die Unabhängigkeit der Justiz werde als sehr hoch wahrgenommen, heißt es. Der Streit über das Bundesverfassungsgericht, das am Primat des EU-Rechts gerüttelt hatte, scheint vergessen.

Andererseits rügt die Behörde, dass deutsche Richter nicht genug bezahlt würden. Verbesserungsbedarf sieht die EU-Kommission zudem beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft. Die sogenannte Abkühlphase müsse länger sein.

Diese Empfehlung ist pikant – denn Brüssel hat selbst ein Problem mit Lobbyismus und Abkühlphase. So wurde gerade enthüllt, dass die ehemalige EU-Kommissarin Neelie Kroes kurz nach ihrem Ausscheiden für den US-amerikanischen Uber-Konzern tätig wurde. Beschwerden aus dem Europaparlament hat von der Leyen ignoriert.

Entsprechend harsch fällt die Reaktion der Abgeordneten aus. „Wir werden das Rechtsstaatsproblem in der EU nicht lösen, wenn Ursula von der Leyen nur Berichte schreibt“, mahnt der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Bei Verstößen müsse es Finanzsank­tio­nen geben.

„Die Zeit ist mehr als reif für Konsequenzen“, meint auch Moritz Körner (FDP). Der Bericht zu Ungarn sei vernichtend. „Ob Justizwesen, Korruption oder Medienfreiheit – der ungarische Rechtsstaat ist kaputt.“ Die EU-Mittel an Ungarn müssten sofort zurückgehalten werden.

Die EU-Kommission sieht ihren Bericht jedoch nur als präventive Maßnahme. Sie will mit Regierungschef Viktor Orbán reden, bevor sie ihre Gangart verschärft. Von der Leyen war mit Orbáns Stimme gewählt worden. Kritiker vermuten, dass sie sich für eine zweite Amtszeit warm läuft und Orbán deshalb schont.

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