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EU-AußengrenzeAthen will Fluchtroute von Libyen nach Kreta schließen

Griechenlands Regierung setzt in der Flüchtlingspolitik auf maximale Abschreckung. Jetzt wird die Verlängerung einer umstrittenen Neuregelung erwogen.

Kurz zuvor in Kreta angekommene Flüchtlinge im Lager Agia bei Chania am 19. August 2025. Letzte Woche gab es dort Ausschreitungen Foto: Giannis Angelakis/ap

Athen taz | Die „Unerwünschten“ kommen weiterhin. Binnen vier Tagen – vom 12. September bis zum 15. September – haben mehr als eintausend Flüchtlinge und Migranten aus Libyen über das Meer die Insel Kreta und die südlich davon gelegene Insel Gavdos erreicht. Dies berichten griechische Medien unter Berufung auf die griechische Küstenwache.

Seit Jahresbeginn seien offiziellen Angaben zufolge 12.890 irreguläre Migranten aus Nordafrika auf Kreta gelandet – etwa viermal so viele wie im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Dabei hatte die Regierung in Athen unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis aus ihrer Sicht zuletzt alles dafür getan, die Flüchtlinge und Migranten effizient zu stoppen. Das Athener Parlament verabschiedete am 11. Juli eine Asylneuregelung. Demnach können Personen, die mit Schiffen aus Nordafrika kommend Hellas erreichen, vorübergehend keine Asylanträge mehr stellen.

„Diese Personen werden ohne Regis­trierung in das Land der Abreise oder der Herkunft zurückgeführt“, heißt es. Die Neuregelung gelte für drei Monate – also bis Mitte Oktober.

Minister erwägt längere Aussetzung des Asylrechts

Die anhaltende irreguläre Migration auf dem Seeweg aus Nordafrika nach Kreta rief derweil den Athener Migrationsminister Athanasios Plevris auf den Plan. „Je nach Entwicklung der Lage“, erklärte er, werde die Mitte Oktober auslaufende Aussetzung für die Einreichung von Asylanträgen für Personen, die aus Nordafrika über den Seeweg Kreta erreichen, womöglich verlängert werden.

Zudem prüfe er zusätzliche Maßnahmen, „sofern dies als notwendig erachtet wird“. Die Regierung in Athen sei nicht dazu bereit, die Migrationsroute aus Libyen nach Kreta sich „stabilisieren zu lassen“.

Die Geflüchteten scheint jedenfalls auch nicht das neue Migrationsgesetz in Athen abzuschrecken, das am 3. September im Athener Parlament verabschiedet wurde. Es sieht unter anderem vor, dass gegen abgelehnte Asylbewerber eine Freiheitsstrafe von zwei bis fünf Jahren sowie eine Geldstrafe von mindestens 5.000 Euro fällig ist, wenn sie illegal in Griechenland bleiben.

Nur wenn der abgelehnte Asylbewerber freiwillig ausreist, tritt eine Aussetzung der Strafen ein. Das Ziel mit Blick auf potenzielle Neuankömmlinge: maximale Abschreckung.

Stattdessen verschlimmerten sich zuletzt die Zustände in einer Notunterkunft im Dorf Agia etwa zehn Kilometer von der westkretischen Stadt Chania entfernt. Die Neuankömmlinge werden dort in einer Lagerhalle untergebracht.

Ausschreitungen in mangelhaft ausgestattetem Asyllager

Es fehlt nicht nur eine Klimaanlage, sondern es mangelt auch an Betten, Toiletten und Duschen. Immer mehr Lagerinsassen klagen über Hautkrankheiten wie Krätze.

Die Behörden hatten schon früh gewarnt, dass sich die Lage in der Halle in Agia zuspitzen könne. Dies bewahrheitete sich am späten Donnerstagsabend, als es in der Lagerhalle zu schweren Ausschreitungen kam.

Griechischen Medienberichten zufolge gerieten Sudanesen und Ägypter aneinander. Zwei Personen seien schwer verletzt worden. Etwa dreißig Polizisten eilten zum Ort des Geschehens, um die erhitzten Gemüter wieder zu beruhigen. Die Schwerverletzten wurden ins Krankenhaus gebracht. Einer werde wegen eines Hämatoms am Kopf behandelt, der zweite habe ebenfalls Kopfverletzungen erlitten, berichteten lokale Medien.

Bereits am Dienstag- und Mittwochabend voriger Woche sei es in der Lagerhalle in Agia zu Zwischenfällen gekommen, berichteten lokale Medien.

Per Schiff Ankommende werden nicht mehr registriert

Von Januar bis August dieses Jahres stellten 40.016 Personen einen Asylantrag in Griechenland, wie das Migrationsministerium in Athen jüngst bekanntgab. 24,8 Prozent der Asylbewerber kommen aus Afghanistan, weitere 17,8 Prozent aus Ägypten und 9,8 Prozent aus dem Sudan.

In den ersten acht Monaten 2025 wurden offiziellen Angaben zufolge 29.346 irreguläre Migranten neu in Hellas registriert – Kreta inbegriffen. Dies sind 9 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum (Januar bis August 2024: 32.251). Im August dieses Jahres registrierten die Behörden 3.547 neue irreguläre Migranten, im Juli waren es noch 6.724.

Beobachtern zufolge dürfte der deutliche Rückgang im August nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass alle auf dem Seeweg aus Nordafrika in Hellas ankommenden irregulären Migranten gemäß der gesetzlichen Neuregelung vom 11. Juli erst gar nicht registriert werden.

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