EU-Agenturen auf Standortsuche: Brexit macht sexy
EU-Staaten bewerben sich um die Bankenaufsichten und Agenturen, die Großbritannien verlassen. Über die deutsche Bewerbung freut sich nicht jeder.
Doch das Feld der Mitbewerber ist überraschend groß. So steigen für die Bankenaufsicht, die knapp 200 Mitarbeiter hat, auch Paris, Luxemburg und fünf weitere Städte in den Ring. Für die Arzneimittelbehörde mit ihren 900 Mitarbeitern bewerben sich 19 Städte.
Angesichts des großen Andrangs setzt die EU bei ihrer Entscheidung statt auf den üblichen Konsens auf ein bizarres Auswahlverfahren: Zuerst soll die EU-Kommission alle Bewerbungen prüfen und eine Bewertung abgeben. Zu den Kriterien zählen die Einsatzbereitschaft des neuen Sitzes zum Brexit-Datum im März 2019, gute Flugverbindungen in alle EU-Hauptstädte sowie mehrsprachige Schulen für die Kinder der Mitarbeiter. Im Oktober diskutieren dann die Europaminister. Im November wird abgestimmt.
Jedes EU-Land kann wie beim European Song Contest Punkte vergeben – nach dem Motto „France, six points“. Drei Punkte gehen an das bevorzugte Angebot, zwei an das zweit-, einer an das drittbeste. Wer von mindestens 14 Mitgliedstaaten je drei Punkte bekommt, gilt als gewählt. Gelingt das keiner Stadt, folgen bis zu zwei weitere Wahlgänge.
Nicht zwei Aufsichtsbehörden in einer Stadt
Den Auftakt beim Schaulaufen machte am Dienstag Luxemburg mit einer Pressekonferenz, bei der EU-Botschafter Georges Friden die Vorteile seiner Hauptstadt anpries. „Luxemburg ist erste Wahl – wir sind nämlich eine europäische Hauptstadt und ein wichtiger Finanzplatz“, prahlte er. Frankfurt beherberge schon zwei EU-Institute – die Europäische Zentralbank und die Versicherungs-Aufsichtsbehörde EIOPA.
„Sie können nicht zwei Aufsichtsbehörden in einer Stadt haben. Zudem sei Luxemburg ideal gelegen – in der Mitte zwischen Frankfurt und Paris. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hielt dagegen: Frankfurt sei jetzt schon das bedeutendste Finanzzentrum in Kontinentaleuropa. Die Ansiedelung der Bankenaufsicht „wäre daher ein logischer Schritt und würde Synergien schaffen, um eine effiziente Finanzmarktaufsicht für die gesamte EU zu gewährleisten“.
Vielen EU-Regierungen ist es allerdings ein Dorn im Auge, dass Deutschland schon jetzt viel Macht konzentriert. Sowohl den Eurorettungsfonds ESM als auch die Investitionsbank EIB führen Deutsche. Und die Bundesregierung hat Anspruch auf den Chefposten der EZB angemeldet. Bei der Abstimmung könnte das zum Problem werden. Wenn es dumm läuft, heißt es am Ende wie beim ESC: „Germany, zero points.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe