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EMtaz: ZDF-Sportreporterin NeumannKommentierte Kommentatorin

Claudia Neumann kommentiert mit Italien – Schweden ihr zweites EM-Spiel im ZDF. Nach ihrem ersten Auftritt hagelte es im Netz Beleidigungen.

Musste viel Gemaule einstecken: Claudia Neumann Foto: dpa

Über Fußballkommentatoren zu lästern, ist Volkssport. Man könnte auch einfach den Ton abstellen und selber kommentieren. Macht aber keiner. Wenn bei der EM Tom Bartels, Béla Réthy oder Steffen Simon zu hören sind, haben die Stammtischkritiker erst richtig Spaß am Spiel. Blöde Sprüche werden mit blöden Sprüchen gekontert, inhaltliche Patzer so skandalisiert, als würde ein Rettungsarzt einen Defibrillator mit einem Beatmungsgerät verwechseln.

Als am vergangenen Samstag in Deutschland die erste Frau ein Männer-Länderspiel (Wales – Slowakei) im Fernsehen (ZDF) kommentierte, hätte man denken können, irgendein AfDler habe wieder irgendeinen Blödsinn erzählt und dem Abendland drohe der Untergang.

„Frauen sollen Kinder zeugen und bitte nicht ein Fußballspiel kommentieren“: Auf Facebook und Twitter überboten sich die Kommentare zum Kommentar von Claudia Neumann mit hunderten dumpfen Beschimpfungen und Beleidigungen. Vor allem das ZDF war damit beschäftigt, auf der eigenen Facebook-Seite die Irren in Schach zu halten. Dutzende Drohungen und Beleidigungen gegen die erfahrene Journalistin löschte der Sender irgendwann kommentarlos.

Selbst das, was noch übrig blieb, ist alles andere als appetitlich: „Ich bin grad extra online gekommen und hab in der Suchleiste ‚ZDF‘ eingegeben um euch zu sagen das es Scheisse ist das eine Frau kommentiert, das passt einfach nicht, ich komm nicht klar, unerträglich.“ (504 Likes) Antwort des ZDF: „Wir freuen uns ja, wenn es hier Leute ehrlich und sachlich schaffen und ohne Beleidigungen.“ (2 Likes)

Auch auf dem Facebook-Account der taz sind Kommentare zu lesen wie „Ist Sie jedes Mal feucht geworden, wenn Bale am Ball war. Anders ist ihr Gekreische nicht zu erklären.“ oder „Die Genderdiktatur – was kommt als Nächstes? Ne Frau als Kriegsminister oder Reichskanzler?“

Wer vermutet, man habe es hier mit einer sackkraulenden Männerwelt zu tun, die es nicht ertrage, dass eine Frau ihnen erkläre, wie der Ball laufe, irrt. Es sind nicht nur Männer, es sind auch Frauen, die meinen, dass Frauenstimmen im Männerfußball nichts zu suchen haben und ihn „kaputtmachen“ oder „den Spaß verderben“. Freilich sind das Menschen, die offenbar kein Radio hören. Sabine Töpperwien oder Martina Knief kommentieren dort schon seit Jahren die Bundesliga der Männer. Kaputt ist sie davon nicht gegangen. Und auch die Uefa erwägt keinen Abbruch der EM wegen Claudia Neumann.

Ihr Kommentar sorgte aber nicht nur für Häme. Es gab auch das ganz normale Besserwissen: langweilig, unlustig, unfähig. Und es gab außergewöhnlich viel Lob. Dass es überhaupt noch ein Thema ist, dass eine Frau diesen Job macht, war dabei einer der häufigsten Sätze. Kann man so sehen. Kann man aber auch so sehen: Es ist auch ein Thema, wenn der erste Flüchtling beim HSV unterzeichnet oder die erste Muslimin Landtagschefin in Baden-Württemberg wird. Und warum sollte es kein Thema sein? Schließlich ist erst dann, wenn es die zweite TV-Kommentatorin im Männerfußball gibt, die erste Frau kein Thema mehr.

Sabine Töpperwien oder Martina Knief kommentieren schon seit Jahren die Bundesliga der Männer.

Dass es Häme geben würde, wussten Claudia Neumann und das ZDF. Weil sie sich die Debatte ersparen wollten, ob Neumann sich für die K.-o.-Runde der EM überhaupt qualifiziert hätte, verabredete der Sender mit seiner Angestellten, dass sie nur die Vorrunde kommentieren sollte. Man kann das verstehen. Konsequenter wäre es trotzdem gewesen, eine Frau das Finale kommentieren zu lassen.

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23 Kommentare

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  • Seit jeher wurden Kommentatoren kommentiert. Schon aus den WMs meiner Kindheit kenne ich die Sprüche: "Was redet der wieder für einen Quatsch!" "Bei dem Gelaber schläft man ja ein!" usw.

  • Man sollte die Debatte um die "Geeignetheit" von Frauen, Fussballspiele zu kommentieren versachlichen:

     

    Im Grunde geht es nicht darum, ob eine Frau oder ein Mann kommentiert.

     

    Die Realität ist viel banaler: Wir "Fussballfreaks" ärgern uns ja schon über eine ganze Reihe "männlicher Totalausfälle" als Kommentatoren beim Fussball, bei denen man sich seit Jahren ernsthaft fragt, aus welchem Hut sie die denn bei ARD und ZDF gezaubert haben.

    Und nun kommt eine weibliche Kommentatorin, die es schafft, das Unmögliche möglich zu machen: Die männlichen Totalausfälle zu toppen!

    ;-)

    DAS ist der PUNKT! Es geht nicht darum, daß sie eine FRAU ist, sondern darum, daß sie das - bis jetzt Unvorstellbare - geschafft hat.

    Ergo: Frauen muß man nicht über den grünen Klee "loben", nur weil sie Frauen sind.

    DAS ist GLEICHBERECHTIGUNG!

    Was lernen wir daraus? Auch Frauen sollten weiter ÜBEN!

    In diesem Sinne: Toooooooooooooooor!

  • Ich fand sie auch o.k.!

  • Ich bin wirklich der felsenfester Meinung ob ein Fussballspiel nun "gut" oder "schlecht" kommentiert ist hängt eher von der Ausbildung als vom Geschlecht ab.

     

    Unglaublich wie aus jedem noch so kleinen Scheissdreck ein ideologische Grundsatzdebatte gestartet.

     

    Liebe taz, ihr schreibt selber wie selbstverständlich das Ganze ist.

    Wäre es nicht auch eine Möglichkeit es einfach zu ignorieren dass es da draußen einen Haufen Idioten gibt die dank sozial Media noch mehr verblöden?

     

    Solange das ZDF nicht auf die Idee kommt die Dame zu ersetzen ist doch alles gut.

  • 3G
    34420 (Profil gelöscht)

    Es gäbe ja verschieden Möglichkeiten zu reagieren:

    1.Irgendein ausgesuchter Fan bekommt ein Mikro und muss ran.

    2.Ab sofort werden ALLE Spiele von Frauen kommentiert.

    3.Fremdsprachige Kommentare erhöhen den Bildungseffekt, der ja ZDF-Auftrag sein soll.

    4.ZDF pöbelt mal richtig zurück.

    5.Doppelmoderationen von zwei Frauen.

    6.Ne Frau, die Billard-Fachfrau ist.

     

    Die Leere zwischen den Ohren scheint bei manchen Menschen wirklich ans Vakuum ranzureichen. Man will's ja irgendwie immer nicht wahrhaben, aber...

  • Nun, Frau Neumanns Kommentar war eben nicht gerade mitreißend, eher so ein Dahinplätschern. Diese Kritik hätte bei entsprechender Leistung auch ein Kommentator einstecken müssen. Daß es auch anders geht, beweist Katrin Müller-Hohenstein.

  • Jetzt mal ganz nüchtern betrachtet: anderthalb Stunden am Stück quatschen, obwohl es im Grunde nicht das geringste zu sagen gibt - dafür müssen Männer lange und hart trainieren!

    Die meisten Frauen können das von Natur aus... ;-)

    Von daher wundert mich eher, dass fast nur Männer diesen Job machen...

    Sorry - musste einfach sein! :-)

  • 1G
    12239 (Profil gelöscht)

    Besser als Bela Rethy ist sie allemal

  • Nicht zu fassen! Und ich dachte wirklich, deutschland wäre viel weiter... Heute beim spiel italien-schweden war ich so positiv überrascht, eine frauenstimme zu hören. Ich habe mich gefreut und eben gedacht, tolles land hier, frauen "dürfen" auch em-spiele kommentieren. Tja... und nun lese ich diesen artikel!

    P.S. Das enzige negative, was mir an frau nemanns kommentar auffiel, war die häufige grottenfalsche aussprache der italienischen spielernamen (von den schwedischen kann ich nichts sagen, ich kann kein schwedisch). Dann dachte ich, bartels, réthy & co. sprechen sie immer, seit jahren schon genauso falsch aus, also, was soll's

  • "Auch auf dem Facebook-Account der taz sind Kommentare zu lesen wie ...„Die Genderdiktatur – was kommt als Nächstes? Ne Frau als Kriegsminister oder Reichskanzler?“"

     

    Freunde der Verteidigungsministerin und die Bundeskanzlerin finden den aber gewiss lustig.

  • Claudia Neumann hat doch ihre Sache heute sehr gut gemacht. Beim Spiel Italien gegen Schweden gelangen ihr so wunderbar männliche Sätze wie: "Einfach runterladen und durchklicken!", oder "Das muss das Auge erstmal erblicken, möglicherweise mit einer Schuhgröße". Sie kennt sogar die Spieler gut und weiß etwa von einem Spieler zu berichten, "der nicht nur Vater einer Tochter geworden ist, sondern auch sonst mit den Bronchien zu kämpfen hatte." Ebenso wie Béla Réthy gestern konnte auch Sie leider heute das Spiel auf dem Feld nicht wirklich verbessern. Gegen den italienischen Stinkstiefel ist leider noch gar kein Kraut gewachsen.

  • Ich bin froh, dass das Fratzenbuch noch nicht zur Pflicht wurde. Man könnten meinen zur Zeit steht als Überschrift in der Welt, alle Doofen vereinigt Euch. Aber wie dumm ein Teil der Männer sein kann, sieht man ja gerade tagtäglich in Form der Hooligans. Die russischen scheinen ja gerade in Köln gestrandet zu sein und jammern nach Putin. Erst gorße Klappe und dann mimimimi.

  • Eigentlich doch traurig, dass es solch ein Aufreger sein soll, wenn eine FRAU ein von MÄNNERN bestrittenes Fußballspiel kommentiert. Dabei kommentieren doch auch Männer die Schwimmmeisterschaften der Damen...

    Das Problem liegt wohl eher darin, dass Mann glaubt, er habe die Weisheit in "Männerdingen" gepachtet. Und dass es unter Fußballfans anscheinend unglaublich viele Menschen gibt, die nicht grad die hellste Kerze auf der Torte sind.

    • @dani wolf:

      "Das Problem liegt wohl eher darin, dass Mann glaubt, er habe die Weisheit in "Männerdingen" gepachtet."

       

      Bei was denn sonst? Etwa bei Frauendingen?

    • @dani wolf:

      Und traurig, dass ein paar wenige nicht-repräsentative Facebook-Deppen soviel Beachtung bekommen. 504 Likes - das ist ja der reinste Wahnsinn.

      Vielleicht sollte das ZDF einfach Facebook verlassen. Spart Geld und Nerven. Diese Deppen und wohl auch ein paar Depinnen gab es früher auch, nur da blieb es im geschlossenen Raum der Dorfkneipe.

      • @JoWall:

        Jowall - sehe ich ähnlich. Es fehlt mir jedes Verständis dafür dass Firmen, Zeitungen, Künstler alle sich auf fb rumtreiben. Es ist keine gute Sache. Die Menschen sind in der Mehrheit einfach verdummt. Empathielos. Voller Neid und Unzufriedenheit. Mann oder Frau... meine Güte - tiefdunkles Mittelalter. Puh. Wäre schön gewesen, wenn Claudia Neumann auch nach der Vorrunde kommentieren dürfte. Und bitte ZDF: verlasst diese unsoziale Netzwerk.

  • "Ne Frau als Kriegsminister"

    In Deutschland niemals!!!! Warte mal - wie jetzt?

    • @Frank N. Stein:

      Die ersten ihrer Art sind immer Angriffsziele in einer Welt, in der mensch siegen muss um Aufmerksamkeit abzukriegen, die angeblich noch wertvoller als Geld ist. Die ersten ihrer Art sind nämlich meistens noch alleine. Für Leute, die zu feige sind um sich mit vielen anzulegen, ist das ein wichtiges Signal: "Jetzt oder nie!", denken sie sich und glauben, ihre (letzte) Chance packen zu müssen.

       

      Dass sie dabei nur auf die Schnauze fliegen können, weil sie das Zeug zum Sieger schlicht nicht haben (was eigentlich der Grund für ihre Aggressionen ist), können sie sich nicht eingestehen. Es würde sie nach eigner Ansicht disqualifizieren. Im Eifer des Gefechts "passiert" dann so was wie das mit der Kriegsministerin (was allerdings vermutlich gar nicht Dummheit war, sondern ein Hinweis darauf, dass das Abendland schon längst versunken ist) oder die Frauen, die die "Kinder zeugen" sollen.

       

      Nicht nett, die armen Opfer ihrer selbst noch öffentlich am Nasenring herumzuführen – und nur erklärlich, wenn man weiß, was diese Welt im Innersten zusammenhält: Stärke und Macht sind das was zählt, die Fähigkeit, den Anderen kleiner zu machen, als man sich selber manchmal fühlt. Ich nehme mich da gar nicht aus.

  • Es wäre schön optional alles ohne Kommentatoren zu haben. Wenn ich die Möglichkeit hätte das Rumgequatsche von Kommentatoren auszuschalten würde ich es tun.

    • @Ansgar Reb:

      Einfach den Ton abstellen. Das Fangebrülle muss man doch auch nicht hören, oder?

      • @Karlheinz:

        Es ist ja nicht nur Fussball. Es sind ja auch andere Sportarten, es sind Staatsbegräbnisse, es sind militärische Zeremonielle, Bergparade, Boxkämpfe usw. In Zeiten des Digitalfernsehens kann es doch kein technisches Problem sein, eine Originaltonspur parallel zu senden, dass man entscheiden kann ob man einen Kommentar möchte.

         

        Im übrigen ist mir gleichgültig ob ein Kommentator weiblich oder männlich ist, wenn er einfach stört.

         

        Wenn gerade der Chor ein Lied anstimmt, brauche ich nicht den reinquatschenden Kommentar, dass dies dieser und jeder Titel von Brahms sei, den er zum Anlass xy geschrieben habe und vom Chor unter der Leitung von XY gespielt werde. Oder dass jemand da vorne jetzt spreche anstatt ihn sprechen zu lassen.

         

        Phoenix war am Anfang richtig gut, Raw video, dann kam wieder diese redaktionelle Geschwätzigkeit.

        • @Ansgar Reb:

          Jetzt wird mir manches klar bezüglich Ihrer polititschen Einstellung....

        • @Ansgar Reb:

          "....Staatsbegräbnisse, es sind militärische Zeremonielle, Bergparade..."

           

          Sagen Sie bloß, Sie gucken sich so was an...