piwik no script img

EMtaz: Cristiano RonaldoHassobjekt der Spießer

Cristiano Ronaldo wird gern als jammernde Diva gesehen. In Wirklichkeit CR7 ist der einzige Popstar des Weltfußballs.

Ronaldo beim Training: Schon E-Jugend-Kicker lernen einen Dribbeltrick, der CR7 heißt Foto: reuters

Paris taz | Gibt es etwas Schöneres bei dieser EM als das Gesicht von Cris­tia­no Ronaldo, wenn etwas schiefgegangen ist? Wenn der Ball nicht reingeht, wenn er, der sich CR7 nennt, von den portugiesischen Kollegen mal wieder nicht richtig eingesetzt wurde. Der Pariser Publizist Simon Kuper hat geschrieben, Ronaldo sehe dann immer aus, als hadere er mit dem grausamen Schicksal, das ihn zwischen Sterbliche gestellt habe.

Ihn, das Königskind von einem anderen Stern.

Es ist ein offenes Kindergesicht, das Ronaldo macht, jenseits des Frustrationskontrollzwangs der Erwachsenen – und vor allem auch von der Etikette der Fußballwelt. Und gleichzeitig ist es nicht authentisch, sondern das Gesicht eines Performers. Es sieht immer auch aus, als denke er die Wiederholung auf den Bildschirmen mit. Und werde selbst gleich hochschauen, um auf der Stadionleinwand zu prüfen, ob er in der Szene auch gut ausgesehen hat.

Es gibt ein weiteres Gesicht von Ronaldo: das Gesicht der geheimnisvollen Leere.

Es gibt ein weiteres Gesicht von Cristiano Ronaldo: das der geheimnisvollen Leere

Die ebenmäßig androgynen Winnetou-Züge, die gezupften Augenbrauen, die perfekt sitzenden und glänzenden schwarzen Haare; und dann dieser Blick ins Nichts. Als verberge sich hinter einer schönen und banalen Oberfläche ein existenzielles Geheimnis.

Fetischist des eigenen Körpers

Immer schwingt da auch das Clowneske im Hintergrund mit. Sichtbar macht er es in seinen Gesten des Triumphs. So wie er die kleinste vergebene Chance als Tod betrauert, so feiert er das kleinste erzielte Tor als Auferstehung. Unvergessen, wie er im Champions-League-Finale für Real und gegen Atletico 2014 einen bedeutungslosen Elfmeter zum 4:1 verwandelte. Und das in seiner Jubelperformance zum epochalen Menschheitsereignis dramatisierte.

o.T. (Ronaldo). 115 cm x 80 cm / Acryl auf Leinwand / 2016 / Auftragsarbeit für die taz Illustration: Mario Faustino

Cristiano Ronaldo ist ein Popstar. Der einzige Popstar, der sich über die Kulturform Fußball ausdrückt. Das Wort „Popstar“ wird im Fußball zwar für eine ganze Reihe Spieler gebraucht, aber fälschlich. Lionel Messi ist ein großartiger Fußballer, der Millionen Follower hat, aber er wirkt nicht über den Fußball hinaus. Genauso ist es bei Mesut Özil, Deutschlands kreativstem und international bekanntestem Fußballer. Oder bei Antoine Griezmann. Kein Geheimnis, kein Körper, keine Anziehung. Die Ausstrahlung eines Popstars wird bei ihnen nur in Fußballschuh-Clips simuliert.

Über Zlatan Ibrahimović muss man anderswo gesondert nachdenken. Er chargiert in der eindimensionalen Rolle des hedonistisch-konsumistischen Selfmademan und Machos, dem keiner kann. Oder den jeder mal am Arsch lecken kann. Er feiert die Faszination des ökonomischen Aufstiegs: mit dicken Eiern vor einem dicken Auto posen. Aber ein Geheimnis hat auch er nicht.

Cristiano Ronaldo aber ist ein Fetischist des eigenen Körpers. Er will Attraktivität ausstrahlen, er will cool aussehen. Alles Pop. Die Inszenierung. Das Künstliche. Das Flüchtige. Das Polieren der Oberfläche. Und doch dahinter das Leiden an der Welt. Das Unverstandene. Die Einsamkeit. Die Egozentrik. Die große Sehnsucht. Die Erotik. Der Sex. Die Gier nach Ruhm. Nach Aufmerksamkeit. Nach Liebe. Nach Hass.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Für Fußballtraditionalisten, Geschlechterkonservative, Popkonservative, Denkkonservative – früher hätte man gesagt: für alle Spießer – ist Cristiano Ronaldo tatsächlich eine unerträgliche Provokation. Sie hassen ihn wirklich.

Das ist der beste Beweis, dass Ronaldo großer Pop ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Bis zum letzten Abschnitt ganz nett zu lesen, dann wird es allerdings küchenpsychologisch abstrus. Das "nicht-mögen" gleich wieder mit Konservatismus zu vermischen auf die Idee kommt man auch nur als Linker. Das es auch charakterliche Gründe geben kann CR nicht zu mögen auf die Idee kommt der Autor nicht. Dann lieber unterschwelligen Sexismus unterstellen. Ob sich CR nun die Augenbrauen zupft oder den Schambereich wachst ist sowas von egal. Ob er nun androgyn oder wie ein Holzfäller daherkommt, kann er doch machen wie er will. Die übertriebene Theatralik bei seinen Aktionen, das nervt.

  • Mein Gott, muss man jedem Fanboy hier ein Forum einräumen? Was soll die Schwärmerei - das ist bloß ein eitler Fußballer, der neben dem Platz überhaupt keine Wirkung hat. Der Artikel passt besser zum GQ.

  • 3G
    34420 (Profil gelöscht)

    Es ist doch das Schicksal aller Genies, von Normalos umzingelt zu sein. "...von Sterblichen umgeben..." Genau so.

     

    Man könnte ja auch mal kurz darüber nachdenken, welch Unmaß an Training und Disziplin für seine Leistungen nötig ist.

     

    Sollte Portugal tatsächlich Europameister werden, wird er endgültig heiliggesprochen. Mindestens in Portugal.

    Und all die Nörgelfritzen, die sich an ihren letzten 100m-Sprint nicht mal mehr erinnern können, müssen halt weiternörgeln.

     

    Der Witz des Spieles kam aber von Scholl. Zitat:Der Schiedsrichter wusste, dass er mit einem so frühen Elfmeterpfiff das Spiel verändert hätte. Experte müsste man sein. Auch für 7000 pro Auftritt.

  • mag sein und ja wenn seine Definition von Popstar stimmt, dann hat er wahrscheinlich recht. Ichhoffe nicht er hat die Popstardefinition so zurechtgebogen, dass sie auf Renaldo passt.

    Was mich wurmt, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin, dass ich zu den spießern gehöre, während Herr Unfreid es geschafft hat, sich als einer der wenigen Nichtspießer zu profilieren.

    Ich finde nicht, dass nach seiner Def. (Gier nach Ruhm usw.)z. B. die Beatles Popstars waren und auch die Stones nicht sind . die sind/waren (für mich ) einfach gut. Mag sein sie wurden - damals die B. - von Ihren managern inszeniert als Popstars. Aber wer hat denn die B. und die RS gehasst?

    • @Wolfgang Hanspach:

      Auch hier - Gaaaanz einfach -

      Peter Unfried!;)

      (Pssst - nicht verraten - Er weiset nicht!)

      kurz - Wassan Schmarrn!