EIN NEUES MINISTERIUM SOLL DEM PRÄSIDENTEN DEN WAHLERFOLG SICHERN: Bushs blinder Aktionismus
Der Krieg scheint bereits zur Nebensache zu werden. Das Volk gewöhnt sich an die wöchentlichen Terrorwarnungen. Der Sommerurlaub steht auch für die Amerikaner vor der Tür. Und da die öffentliche Aufmerksamkeit einem Untersuchungsausschuss im Kongress gehört, der mögliche Versäumnisse der Bush-Regierung im Vorfeld des 11. September zu ergründen versucht, besteht die Gefahr, dass die US-Bürger mit der Vorstellung einer zum Teil blamablen Geheimdienst- und Polizeistruktur in die Ferien fahren.
Doch im Herbst sind Wahlen – und für Präsident George W. Bush steht die Mehrheit seiner republikanischen Partei im Kongress auf dem Spiel. Der US-Präsident muss also aus der Defensive. Daher zündete der oberste Feldherr in der Nacht zum Freitag die Überraschungsbombe. Einleitend mit heroischen Worten über die Verteidigung des Vaterlandes, kündigte Bush in einer Rede an die Nation die Bildung eines Superministeriums eigens für Heimatsicherheit an – des „Department for Homeland Security“.
Kein Zweifel: Eine Reform aller US-Ermittlungsbehörden, die für die Terrorbekämpfung zuständig sind, ist dringend notwendig. Das betrifft vor allem CIA und FBI, die durch ihren gegenseitigen Kleinkrieg über Kompetenzen die Terrorprävention erheblich behindert haben. Doch Bush zäumt das Pferd von hinten auf. Anstatt auf eine fundierte Analyse des Versagens und daraus abgeleitete Empfehlungen durch den Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zu warten, wird das Thema Sicherheit aus taktischen Gründen leichtfertig und vorschnell dem Wahlkampf geopfert. Mit seinem Aktionismus brüskiert Bush nicht zuletzt die Abgeordenten im Kongress, deren Arbeit er damit nicht zum ersten Mal abwertet.
Das Kalkül des George W. Bush ist offensichtlich: Einen Kriegspräsidenten wählt man nicht ab. Er weiß, dass er mit dem Thema Sicherheit den Nerv der Bevölkerung und Wähler trifft. Es geht um den Machterhalt. Sinn oder Unsinn der Einrichtung eines neuen Ministeriums sind hierbei vorerst zweitrangig. MICHAEL STRECK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen