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EGMR gibt Klage Georgiens stattStraßburg verurteilt Russland

Russland hatte im Jahr 2006 viele Georgier festgenommen und ausgewiesen – brutal und ohne Einzelfallprüfung. Zu Unrecht, wie sich nun zeigt.

Der Europäische Gerichtshof in Straßburg. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen der Massenausweisung von Georgiern im Jahr 2006 verurteilt. Der Straßburger Gerichtshof gab damit einer Klage Georgiens statt.

Im Herbst 2006 hatte Georgien vier russische Offiziere festgenommen, weil sie in Georgien spioniert hätten. Wohl als Vergeltung intensivierte Moskau die Suche nach Georgiern, die illegal in Russland leben, um diese festzunehmen und abzuschieben.

Dem EGMR lagen Schreiben vor, in denen Schulen aufgefordert wurden, georgische Schüler zu melden. In der Folge stieg die Zahl der Ausweisungen von Georgiern aus Russland an: von 80 bis 100 auf 700 bis 800 Personen pro Monat. Insgesamt mussten mehr als 4.600 Georgier im Rahmen dieser Kampagne Russland verlassen, wobei die Hälfte verhaftet und zwangsweise abgeschoben wurde.

Russland bestritt eine punktuelle Zunahme der Ausweisungen. Man habe nur nach illegalen Einwanderern gesucht. Die vorgelegten Belege seien entweder gefälscht oder stammten von übereifrigen Beamten, die deshalb verwarnt wurden.

Zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt

Die Richter gingen wegen der Vielzahl gleichlautender Berichte – auch von unabhängigen Organisationen – davon aus, dass die georgische Darstellung stimmt. Russland habe damit das Verbot von Massenausweisungen ohne Einzelfallprüfung verletzt, das in einem Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten ist. Außerdem seien die Festgenommenen unmenschlich behandelt worden, weil sie in überfüllten und unsauberen Zellen untergebracht waren und zu wenig Nahrung erhielten.

Der EGMR verurteilte Russland zur Zahlung von Schadensersatz in noch nicht bezifferter Höhe. Gegen das Urteil ist kein Rechtsmittel möglich, da es von der 17-köpfigen Großen Kammer des EGMR beschlossen wurde.

In Straßburg liegt noch eine weitere Staatenklage Georgiens gegen Russland vor. Sie betrifft den Konflikt um die Regionen Abchasien und Südossetien, die sich von Georgien abgespalten haben. Als georgische Truppen 2008 die Gebiete zurückerobern wollten, griffen auch russische Truppen in den Konflikt ein. Laut der Klage hätten sie Zivilisten getötet, Häuser angezündet und Menschen vertrieben. Wann der EGMR über diese Klage entscheidet, ist noch nicht bekannt.

Das jüngste Urteil gegen Russland erfolgte, wenige Tage nachdem die EU ein Assoziierungsabkommen mit Georgien schloss. Der EGMR ist aber kein Gericht der EU, sondern des Europarats, dem auch Russland und Georgien angehören. (Az.: 13255/07)

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2 Kommentare

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  • Es ist ein Witz! Russland schmeißt illegal in ihrem Land befindliche ausländische Bürger raus und ausgerechnet Strassburg, als Büttel der "EU" (die sonst Russland versucht zu isolieren wo es von Vorteil scheint) maßt sich an darüber zu richten. Auch ist davon auszugehen das a) die Staatsbürger der betroffenen Länder ihre Angehörigen in den "Klägerländern" in diesem Falle Georgien unterstützen und damit diese Staaten stabilisieren während speziell Georgien Russische Staatsbürger (Passinhaber und Friedenstruppen) ermordet, und damit versucht zu destabilisieren.

    Auch gab es b) einen großen Anteil Kriminelle unter den Betroffenen über die Tatsache hinaus „Illegal“zu sein.

    Für den nächsten „Prozess“ scheint das Urteil schon klar, Georgien, das Bürger auf seinem Staatsgebiet zu ermorden versucht hat – doch diese sich damit wehrten das Land ihrer potentiellen Mörder zu bekämpfen und schließlich zu verlassen, dem Aggressor (des Westens) also soll Russland „Schmerzensgeld“ zahlen .

    Bei solchen Meldungen (die solches als „Recht“ empfindet) sollte der Leser Schmerzensgeld kriegen.

    In Sachen Krim wird demnächst auf Antrag der Ukraine dessen Junta (die wenigsten Teile der Regierung sind demokratisch legitimiert) momentan Georgien nacheifert und demnächst überflügeln wird sicherlich ähnlich „Recht“ gesprochen. In diesem Falle sollte sich Russland ein Vorbild an den USA nehmen - und die „Richter“ erzählen lassen

  • Was ist über Bush jun. in Straßburg entschieden worden ?