E-Mobilität in Benin: Akku wechseln statt laden

In Benin können „Zem“-Fahrer ihre Motorräder gegen elektrische tauschen. Das klingt verlockend, könnte aber von einem Konzern abhängig machen.

Mann steht vor neuen grünen E-Motorrädern

Gildas Attachi betont: E-Mobilität schafft Arbeitsplätze und die grüne Wende Foto: Katrin Gänsler

Cotonou taz | Sie sind fast geräuschlos, die mehr als 5.000 Roller und Motorräder, die Spiro seit Ende vergangenen Jahres im westafrikanischen Benin verkauft und verpachtet hat. Es ist das erste Unternehmen, das mit Elektrorollern und ­E-Motorrädern an einen äußerst lukrativen Markt geht.

Volle Radwege trügen: Klima- und menschenfreundliche Mobilität ist längst nicht normal. In Deutschland etwa ist der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen in den letzten 30 Jahren von 13 auf fast 20 Prozent gestiegen – zu viel Gütertransporte auf der Straße, zu viel Individualverkehr. Doch es gibt spannende neue Konzepte für Räder, Busse, Bahnen und Schiffe mit E-Mobilität und neuen Formen des Teilens. Oder auch mehr Verantwortung für Umweltschädigung. Hier stellen taz-Autor:innen Ideen vor, die bereits ausprobiert werden.

Bis heute dominieren motorisierte Zweiräder den Verkehr in dem 13-Millionen-Einwohner:innen-Land. Weder in der Wirtschafts­metropole Cotonou noch in kleineren Städten und erst recht nicht in ländlichen Regionen hat sich je ein öffentliches Nahverkehrssystem entwickelt.

Allein für Cotonou wird geschätzt, dass es mehr als 250.000 Zémidjans – häufig nur Zem genannt – gibt. Das Wort für die äußerst populären Zweiradtaxen stammt aus der Sprache Fon und bedeutet etwa: „bringe mich schnell irgendwohin“. Motorräder und Roller, die ausschließlich privat genutzt werden, sind nicht eingerechnet.

Im Firmensitz von Spiro, das bis vor kurzem noch Mauto hieß, betont Gildas Attachi, Leiter der Marketing- und Kommunikationsabteilung, man sei Afrikas Marktführer. Neben Togo und Benin sollen die grünen Zweiräder künftig auch in Kenia, Ruanda und Uganda unterwegs sein. Der Preis sei „zauberhaft“ und E-Mobilität zentral für die „grüne Wende“.

In kleinen Geschäften können Batterien getauscht werden

Je nach Größe kosten die Roller und Motorräder zwischen umgerechnet 900 und 1.200 Euro. Die herkömmlichen Benziner-Modelle fangen bei rund 600 Euro an. Auch sie lassen sich weiterhin überall gebraucht und neu kaufen.

Was auf dem Kontinent vielerorts bisher gegen E-Mobilität gesprochen hat, sind Stromausfälle und starke Stromschwankungen. Berüchtigt dafür ist vor allem Nachbarland Nigeria, wo ohne Dieselgenerator eine kontinuierliche Versorgung undenkbar ist. Spiro hat in Benin ein Netzwerk von bisher 150 Ladestationen – Swaping Points – aufgebaut: In kleinen Geschäften können Nut­ze­r:in­nen ihre Batterien tauschen. Lade-Wartezeiten fallen weg.

Mann fährt auf grünem E-Motorrad auf der Straße

Zem-Fahrer Gabin Bessanh ist auf ein E-Motorrad umgestiegen Foto: Katrin Gänsler

Auch Gabin Bessanh ist umgestiegen. Der Zem-Fahrer sitzt auf seinem grünen Motorrad, trägt einen blauen Helm. An einer viel befahrenen Kreuzung mitten in Cotonou rauschen innerhalb weniger Minuten Dutzende Roller und Motorräder an ihm vorbei. Der Lärmpegel ist hoch, sein Gefährt dagegen leise. Der 41-Jährige sagt: „Das ist doch viel besser für die Umwelt. Auch die Abgase fallen nicht mehr an.“

Trotzdem gibt er zu, dass es anfangs gewöhnungsbedürftig war. Die elektronische Variante war völlig unbekannt. An guten Tagen verdient er rund 9 Euro, was ausreiche, um die Familie zu versorgen, so Bessanh. Der Mindestlohn in Benin liegt bei 80 Euro. Die große Mehrheit arbeitet jedoch im informellen Sektor und ist nicht angestellt.

Die alten Motorräder werden recycelt

Zusätzlich muss Bessanh allerdings täglich knapp 5 Euro für die Pachtgebühr erwirtschaften. Damit hat er Anspruch auf geladene Batterien, mit denen er laut Spiro jeden Tag rund 200 Kilometer weit fahren darf, eine Vollkaskoversicherung, die Gebühr für die Zulassung. Gleichzeitig fallen beispielsweise Ausgaben für den Ölwechsel weg. Der Vertrag gilt für 150.000 gefahrene Kilometer.

Spiro will Ernst machen mit seinem Wechsel. Vor einer der Geschäftsstellen stehen nicht nur neue, grüne Zweiräder, sondern auf einem breiten, sandigen Mittelstreifen auch eng nebeneinander alte Benzin-Modelle. Teil des Konzepts ist es, dass Zem-Fahrer – Frauen üben den Beruf bis auf wenige Ausnahmen nicht aus – ihre alten Fahrzeuge abgeben und so in das Pachtmodell einsteigen.

Die alten Maschinen werden nach Angaben des Unternehmens auseinandergebaut, Brauchbares wird recycelt und der Rest verschrottet. Wer bisher kein eigenes Motorrad hatte, zahlt täglich knapp 1,50 Euro zusätzlich.

Kritik an Abhängigkeit vom Unternehmen

Genau das ist es, was Zem-Fahrer Vincent Ahoussa kritisiert. Seit 2005 verdient er mit dem Motorrad seinen Lebensunterhalt, sein aktuelles hat er 2015 gekauft. Das abzugeben kommt für ihn nicht infrage. „Selbst wenn das neue fast kostenlos wäre: Ich denke nicht daran, mich von meinem zu trennen“, sagt der 39-Jährige. Er kritisiert die neu geschaffene Abhängigkeit. „Man ist komplett in der Hand des Unternehmens.“ Ihm fehlen auch Erfahrungswerte, wie lange die E-Motorräder halten.

Die sollen künftig auch in Benin hergestellt werden, und zwar im neuen Industriegebiet Glo-Djigbé, das rund 45 Kilometer nördlich von Cotonou liegt. Es ist die Rede von bis zu 600 Motorrädern pro Tag.

Für Benin als Standort spricht die wirtschaftsfreundliche Regierung von Patrice Talon, sagt Gildas Attachi. „Das Land will die Industrialisierung.“ Die Kontakte dahin sind gut. Der bisherige Unternehmenschef Shegun Adjadi Bakari ist seit Juni Benins neuer Außenminister.

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