Durchsuchung bei ABC in Australien: Die Quellen schützen
Nach Razzien der australischen Bundespolizei gegen eine Reporterin und den Sender ABC fordern Journalisten bessere Gesetze gegen Schikane.
Australische Medien hatten der konservativen Regierung vorgeworfen, mit den Razzien die Freiheit der Presse unterwandert zu haben. Bisher gibt es allerdings keinen Beweis dafür, dass die Regierung hinter der Aktion stand. Premierminister Scott Morrison wies entsprechende Vorwürfe zurück. Auch Innenminister Peter Dutton will von den Zugriffen nichts gewusst haben.
Beamte der Bundespolizei hatten am Dienstag mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Hand die Büros des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ABC betreten und nach Dokumenten im Zusammenhang mit einer Reportage gesucht. Der Sender hatte 2017 aufgrund von zugespielten, vertraulichen Informationen darüber berichtet, wie australische Elitesoldaten in Afghanistan mutmaßlich Zivilisten getötet hatten, unter ihnen auch Kinder. Zuvor hatte ein Polizeiteam die Wohnung der Politik-Journalistin Annika Smethurst nach Dokumenten durchsucht. Die Reporterin hatte im vergangenen Jahr mehrere als „Geheim“ klassifizierte Papiere zu einem Plan veröffentlicht, dem Geheimdienst die Abhörung australischer Staatsbürger zu ermöglichen.
Die Razzien führten in den Medien und unter Kommentatoren zu einem kollektiven Schrei der Empörung. Die Rechtsdozentin Rebecca Ananian-Welsh von der Universität Queensland sprach von einer „klaren Gefahr für die Demokratie“. Der Vorsitzende des australischen Journalistenverbandes, Marcus Strom, sieht den Versuch, „Journalisten einzuschüchtern, weil sie die Erzähler von Wahrheiten sind“. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ verglich die Szene von sechs Polizisten im Büro von ABC mit der Situation in einem autoritären Staat. „Diese Art von Einschüchterung von Reportern und ihren Quellen kann verheerende Folgen haben für die journalistische Freiheit und für die Unabhängigkeit der Beichterstattung“, so ein Sprecher.
Immer mehr Gesetze behindern Recherchen
Der Medienwissenschaftler Peter Greste, der 2013 als Journalist für den Fernsehsender Al Jazeera in Ägypten verhaftet worden war und über ein Jahr im Gefängnis saß, wollte am Donnerstag im Fernsehen „die Situation im diktatorischen Ägypten und im demokratischen Australien“ nicht vergleichen. In beiden Fällen sei aber eine vermeintliche Verletzung der „nationalen Sicherheit“ als Grund angegeben worden. Greste fordert den Schutz von Journalisten in Fällen, wo Reportern geheimes oder vertrauliches Material zugespielt wird.
Das entsprechende Gesetz ist eines von vielen, die laut Kritikern in den letzten Jahren die Arbeit von Journalisten erschwert haben. Rebecca Ananian-Welsh weist auf ein „immer weiter wachsendes Feld von Sicherheitsgesetzen“ hin. Ob Anti-Spionage-Gesetze, Antiterror-Gesetze, Datensicherheitsgesetze, Gesetze gegen den Fremdeinfluss auf die Politik – die meisten wurden in den letzten Jahren eingeführt, ohne maßgeblichen Widerstand von Seite der sozialdemokratischen Opposition.
Auch die Geheimhaltungsgesetze wurden verschärft. Beamten, die klassifiziertes Material weitergeben, drohen lange Haftstrafen. Kommentatoren meinen, die harten Strafen erlaubten der Regierung, legitime und dringend notwendige Kritik an Missständen zu unterbinden. So müssen Mitarbeiter, die Informationen über die menschenunwürdigen Zustände in australischen Flüchtlingslagern weiterleiten, mit zwei Jahren Haft rechnen.
Laut Peter Greste gibt es „im australischen Recht nichts, das die Pressefreiheit so schützt wie etwa das ‚First Amendment‘ in der amerikanischen Verfassung“. Journalisten könnten zwar geltend machen, im „Interesse der Öffentlichkeit“ gehandelt zu haben – aber erst, wenn ein Fall vor Gericht verhandelt werde. Die von Greste geführte Organisation „Alliance for Journalists’ Freedom“ schlägt ein speziell auf die Situation von Journalisten zugeschnittenes Gesetz vor. Damit könnten die „fundamentale Wichtigkeit der nationalen Sicherheit“ und der Schutz gewisser Aktivitäten des Staates gewährleistet werden, „und dabei Journalisten eine Basis bieten, Fehlverhalten des Staates zu recherchieren und darüber zu berichten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr