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Serie „Club der Dinosaurier“Durch Testo zum Dino

In einer neuen ZDFneo-Serie wollen zwei Jungen dem klassischen Männlichkeitsbild gerecht werden. Dafür greifen sie zu ungewöhnlichen Mitteln.

Ben (Shadi Eck) hat grüne Pillen eingeworfen und verwandelt sich stückchenweise in einen Dinosaurier Foto: Frank Dicks/ZDF

Alles gar nicht so einfach, finden Ben (Shadi Eck) und Janni (Diyar ­Ilhan). In der Schule werden sie von den lauten Jungs übertönt, nicht einmal das pointierteste Referat entlockt den richtigen Mädchen ein Lächeln, und im Fitnessstudio stehen sie am Ende ihres Trainings zwischen muskelbepackten Männerarmen und schauen hinunter auf ihre Jugendkörper, die einfach nicht die mons­trösen Men’s Health-Züge annehmen wollen, die sie sich so ersehnen.

Als ihnen dann „180 Mal feinstes Tes­tos­te­ron“ in illegalen Pillen angeboten wird, scheint die Lösung auf der Hand zu liegen: Je männlicher, desto einfacher das Leben auf dem Schlachtfeld Mittelstufe, so nehmen die beiden in der neuen ZDFneo-Serie „Club der Dinosaurier“ an und beginnen mit der Selbstmedikation.

Ben bekommt einen Schwanz, Janni ein Horn, beiden wachsen spitze Zähne und Krallen

Dieses Testosteron sei schließlich, so wird ihnen von dem dealenden Mitschüler erklärt, „der Nektar der Alphas“. Janni fügt mit traurigem Lächeln hinzu: „Für alle Jungs dieser Welt, die bislang von der Evolution verarscht wurden“, und schluckt die erste Tablette. Was dann passiert, ist ein gleichermaßen origineller wie innovativer Clou von Headautor Nils Gustenhofen: Die beiden Jungen werden schrittweise zu Dinosauriern. Ben bekommt einen Schwanz, Janni ein Horn, beiden wachsen eine sich masernde Haut, spitze Zähne sowie gelbe Augen und Krallen anstelle von Füßen.

Die Serie

„Club der Dinosaurier“, in der ZDF-Mediathek und ab 15. Juni um 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf ZDFneo

Anfangs sind die Veränderungen noch zu verbergen, der Schwanz noch abzukleben, das Horn noch zu überföhnen. Nach einiger Zeit allerdings schlägt nicht einmal mehr die Handygesichtserkennung an. Ben und Janni sind nicht mehr Ben und Janni und vor allem nicht länger Freunde, erwächst aus dem Zuviel an Testosteron doch auch ein unerbittlicher Kampf um Suki (Tomomi Themann), in die beide verliebt sind – und dann haben sie noch dazu auf einmal unbändige Lust auf lebendige Kleintiere …

Die Absurdität des Männlichkeitswahns

Dass der Männlichkeitswahn unserer Gesellschaft nicht pädagogisierend-didaktisch, sondern mit Absurdität und Witz dargestellt wird, ist ein großer Gewinn dieser Serie und erinnert daran, dass toxische Männlichkeitsvorstellungen für Männer, die nicht unter die Kategorie „Alphatier“ fallen, immensen Leidensdruck bedeuten können. Dass der Wunsch nach schnellem Erwachsenwerden in einem der Kindheitssymbole schlechthin, dem Dinosaurier, mündet, ist dabei besonders klug konzipiert.

Die Dialoge machen Spaß, biedern sich nicht an und verzichten auf Jugendsprache, die eigentlich keine ist. Beide Hauptdarsteller, Eck und ­Ilhan, besitzen das für die Dialoge benötigte komödiantische Talent und zeigen, wie gutes deutschsprachiges Jugendfernsehen aussehen kann. Trine, die Kindheitsfreundin von Ben („Das war in der Unterstufe, Trine. Da waren wir noch Kinder“), wird hervorragend von Hannah Schiller verkörpert, die junge Lehrerin Frau Perski mit viel Humor und Talent von Sonja Gerhardt.

Das langsame Abdriften ins Animalische durch die Inkongruenz von gesellschaftlichen Erwartungen und dem Individuum erinnert an Rachel Yoders „Nightbitch“, 2024 mit Amy Adams verfilmt: Hier kann die Protagonistin die Mutter­schaftserwartungen der Gesellschaft nicht länger erfüllen und wird zur Hündin.

Besonders gelungen im „Club der Dinosaurier“ sind außerdem die Elternfiguren (dargestellt etwa von Tom Beck und Henning Baum), die mit sich selbst beschäftigt sind und von den gnadenlosen Machtkämpfen des Jugendalters nichts bemerken.

Wenn am Ende Ben und Janni einsehen, dass man von den richtigen Menschen sowieso gerngehabt wird und dass es manchmal besser ist, „eine Amöbe zu sein als ein Dinosaurier“, dann wird deutlich, was diese Serie Großes geleistet hat: Feinfühligkeit und Verständnis für eine Lebensphase und ihre Anforderungen aufzubringen, auf die Erwachsene häufig kaum mehr emotionalen Zugriff haben.

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