piwik no script img

Dünger aus menschlichen ExkrementenAus dem Klo in den Kreis

Das Forschungsprojekt ZirkulierBAR zeigt, wie menschliche Ausscheidungen als Düngemittel einsetzbar sind.​ Die rechtlichen Hürden sind aber hoch.

Riecht gar nicht so schlimm: Trockentoilette des ZirkulierBAR-Projekts Foto: Thilo Schoch

Berlin taz | Kot lässt sich gefahrlos kompostieren und erhöht den Kohlenstoff- und Humusgehalt des Bodens. Kombiniert mit aufbereitetem Urin, der viel Stickstoff und Phosphor enthält, bekommt der Acker alles zurück, was ihm bei der Ernte genommen wurde. Das belegt das Forschungsprojekt zirkulierBAR, das am Donnerstag seine Ergebnisse in den Hackeschen Höfen vorgestellt hat.

Die Ressourcen dieser Kreislaufwirtschaft werden in Trockentoiletten gesammelt, was zusätzlich extrem viel Trinkwasser spart – schließlich rauschen durch WC-Schüsseln täglich etwa 35 Liter pro Person. „Angesichts von zunehmenden Dürren und Wasserknappheit, überlasteten Böden und Gewässern ist das die Zukunft“, sagte Projektleiterin Ariane Krause vom Projektträger, dem Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ).

Mit 2,4 Millionen Euro Fördergeld aus dem Bundesforschungsministerium gelang es in Eberswalde, auf dem Gelände der Kreiswerke Barnim ein Reallabor einzurichten. Die Firma Finizio sammelt die Hinterlassenschaften von Fes­ti­val­be­su­che­r:in­nen und aus öffentlichen Trockentoiletten. Die Hygienisierung findet in einem Container statt. Der Kot wird mit Stroh gemischt, durch natürliche Prozesse entstehen hohe Temperaturen, die pathogene Keime abtöten und auch Medikamentenreste und Hormone eliminieren.

Anschließend wird der Inhalt in lange Mieten ausgelegt und regelmäßig gewendet. Seit vergangenem Jahr geschieht das in einem Humusregal, denn Ziel ist eine Skalierbarkeit der Technik. Für die Aufbereitung des Urins kommt eine Anlage der Schweizer Firma VunaNexus zum Einsatz. Die anschließenden Feldversuche fanden bei einem konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb statt.

Grenzwerte alle eingehalten

Claudia Kirsten vom Biomasseforschungszentrum Leipzig hat die Prozesse eng begleitet und jede Charge genauestens auf mögliche Schadstoffe hin analysiert. „Alle Proben haben alle Grenzwerte der Düngeverordnung eingehalten“, bestätigte sie den etwa 150 Interessierten, die zur Präsentation der Forschungsergebnisse nach Berlin gekommen waren.

Doch die deutsche Rechtslage verhindert bisher, dass die innovative Technik auf breiter Ebene zur Anwendung kommen kann. Das Düngerecht lässt nur definierte Ausgangsstoffe zu – menschliche Exkremente sind nicht darunter. In der Schweiz hingegen ist der Urindünger Aurin längst auf dem Markt. Auch das deutsche Kreislaufwirtschafs-, Abwasser- und Abfallrecht müsste geändert werden.

Der Bedarf für die Innovation ist da, wie Marco Schlütter vom Umwelt- und Klimadezernat der Stadt Leipzig bestätigte: „Marode Kanalnetze, Investitionsstaus, sinkende Grundwasserspiegel, eutrophierte Gewässer – ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass wir unser Abwassersystem transformieren müssen und dass die Etablierung ressourcen-orientierter Sanitärsysteme richtig ist.“ Leipzig zählt zu den etwa 20 Kommunen, die die Forschung in Eberswalde beobachtend begleitet haben.

Hinzu kommt, dass der nährstoffhaltige Dünger aus menschlichen Hinterlassenschaften dezentral und ressourcenschonend erzeugt werden kann. Dagegen verbraucht künstlich hergestellter Stickstoffdünger enorme Mengen an Energie, während der im Bergbau gewonnene Phosphatdünger knapp wird und in der EU inzwischen als kritischer Rohstoff gilt. Enorme Preissprünge in den vergangenen Jahren sind Spiegel dieser Krise.

„Was müssen wir noch beweisen, damit klar ist, dass gut und sinnvoll ist was wir machen und Menschen nicht schadet?“, fragte Finizio-Geschäftsführer Florian Augustin am Donnerstag die anwesende SPD-Bundestagsabgeordnete Sylvia Lehmann. Die vielen bürokratischen Hürden und langwierigen Genehmigungsprozesse haben ihn mürbe gemacht, immer wieder denkt er ans Aufhören.

Wir sind Teil des Kreislaufs

Die Politikerin selbst zeigte sich überaus offen für die Innovation: „Der Mensch gehört zum ökologischen Kreislauf dazu – und unsere Ausscheidungen sind Teil davon.“ Lehmann berichtete, sie habe kürzlich einen Prüfauftrag zum Düngegesetz an das zuständige Landwirtschaftsministerium geschickt.

„Zur Zeit ist das alles eine Grauzone und es fehlt den Verwaltungen an Klarheit“, beschrieb eine Frau von den Kölner Abwasserbetrieben, warum trotz prinzipieller Offenheit in einigen Kommunen bisher wenig passiert. Ungewöhnlich ist eine Haltung wie bei den Kreiswerken Barnim, die sich auf das Projekt ZirkulierBAR eingelassen haben, ohne genau zu wissen, was auf sie zukam.

„Wir wollten einen Innovationsraum schaffen“, so Kreiswerke-Prokurist Christian Vahrson. Von Seiten der Bevölkerung gibt es jedenfalls prinzipielle Akzeptanz gegenüber solcherart hergestellten Düngern: Das belegt eine Umfrage des Forschungsprojekts mit 2.000 Teilnehmenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare