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Dua Saleh über toxische Beziehungen„Der Angst mit Humor entgegentreten“

Dua Saleh erklärt den Unterschied zwischen Umweltschutz und Umweltgerechtigkeit. Und spricht über Falschbehauptungen und den Bürgerkrieg im Sudan.

Weltbekannt wegen der Rolle in „Sex Education“: Dua Saleh macht nun auch Musik Foto: Grant Spanier
Interview von Ilo Toerkell

taz: Dua Saleh, die Texte auf Ihrem Album „I Should Call Them“ beleuchten Liebe und Beziehungen aus verschiedenen Blickwinkeln. Einige Songs klingen melancholisch wie etwa „Time and Time again“, andere lustvoll und sexuell aufgeladen wie „Want“. Was genau hat Sie inspiriert?

Saleh: Als ich die Musik komponiert habe, war ich erstmals in Europa auf Tour. Dabei musste ich die ganze Zeit an meine Ex denken, hatte aber kaum Zeit, meine Gefühle zu verarbeiten. Gleichzeitig fanden Dreharbeiten zur letzten Staffel der TV-Serie „Sex Education“ statt, Cal, die Figur, die ich darin spiele, setzt sich ebenfalls mit Identität und Beziehungen auseinander. Es war also eine emotional aufgeladene Zeit, die die Musik inspirierte. Durch das Komponieren konnte ich alles besser verstehen.

taz: Ein Kernthema Ihres Albums ist Umweltschutz. Was haben Liebe und Sehnsucht damit zu tun?

Saleh: Meine Songs handeln auch von toxischen Beziehungen, was für mich in direktem Zusammenhang zur Erde steht. Unsere Beziehung zur Umwelt ist ebenfalls toxisch, sogar wortwörtlich. Wir zerstören die Erde, obwohl sie unsere Mutter ist und uns mit Sauerstoff, Wasser, Nahrung und Wärme versorgt. Wie eine toxische Beziehung, die wir retten müssen.

taz: Was genau bedeutet Umweltschutz für Sie?

Saleh: Umweltschutz bedeutet Fürsorge für die Erde und den Menschen gegenüber. Für mich geht das über individuelle Handlungen hinaus. Wir müssen kollektiv Verantwortung übernehmen, dafür sorgen, dass es auch für zukünftige Generationen auf Erden lebenswert bleibt. Diejenigen Menschen, die am stärksten von Umweltkatastrophen betroffen sind, sind nicht für die Zerstörung der Erde verantwortlich. Deswegen muss Umweltschutz immer von Umweltgerechtigkeit ausgehen.

Dua Saleh

ist Rap­pe­r:In und Schau­spieler:In. Saleh wurde 1994 in Kassala, Sudan, geboren und migrierte als Kind in die Vereinigten Staaten. 2019 wurde die EP „Nūr“ veröffentlicht, zwei weitere folgten. Von 2021 bis 2023 war Saleh als Cal Bowman in der Netflix-Serie „Sex Education“ zu sehen. „I Should Call Them“ (Ghostly International) ist nun das Debüt­album und widmet sich Themen von Liebe bis Umweltschutz. Saleh setzt sich auch für trans* Rechte, Repräsentation und den Sudan ein.

taz: Kommt die Beziehung zwischen Mensch und Erde auch in der futuristischen Ästhetik Ihres Albumcovers zum Ausdruck?

Saleh: Ja, es ist beeinflusst vom verzerrten Selbstbild, das die Menschheit zu sich selbst hat. Wir ignorieren, dass wir Teil der Erde sind. Wie wir die Hand der Erde halten, so hält die Erde unsere. Die Hände auf dem Cover spiegeln das wider, und eine digitalisierte, futuristische Ästhetik mit verzerrten Körperteilen bildet diese Toxizität ab, von der wir gesprochen haben.

taz: Stilistisch klingt Ihr Album vielfältig. „Chi Girl“ hat den Charakter eines Popsongs, was an der Autotune-Stimme liegt, während „Cradle“ eher an Rap erinnert, und mit „2excited“ experimentieren Sie sogar mit Black Metal. Was ist das verbindende Element in Ihrem Sound?

Saleh: Durch die Musik zieht sich R&B als roter Faden. Mit „I Should Call Them“ habe ich dieses Genre neu interpretiert und spiele mit verschiedenen musikalischen Einflüssen und Themen. Letztendlich entstehen alle Melodien spontan, in Momenten, wenn ich verschiedene Gefühle verarbeite.

taz: „I Should Call Them“ spricht wichtige gesellschaftliche Themen an, gleichzeitig hat es eine humorvolle Seite. Wie kam es zu diesem Titel?

Saleh: Die simple Antwort: Ich fand ihn einfach lustig. Selbst wenn es um existenzielle Themen und grundlegenden Fragen zum Umweltschutz geht, muss man nicht bierernst sein. Manchmal kann man an die Ex denken und sich dabei fragen, ob man sie anrufen oder ihr schreiben sollte.

taz: In Social Media haben Sie den Song „Pussy Suicide“ geteilt und ihn als Song für transgender Aliens beschrieben. Warum?

Saleh: Schuld daran ist US-Präsident Donald Trump. Er redet ständig über trans* Personen und äußert sich wiederholt transfeindlich. Im Wahlkampf hat er zum Beispiel von „transgender Aliens“ gesprochen, die „in Gefängnissen Operationen bekommen“. Trumps falsche Behauptungen gefährden trans* Personen und erzeugen Angst. Durch meine Statusmeldung bin ich der grassierenden Angst mit Humor entgegentreten.

taz: Die Instrumentalisierung von trans* Personen durch rechte Politik ist weitverbreitet, von den USA bis Russland und Ungarn. Wie sehen Sie das im aktuellen politischen Kontext der USA?

Saleh: Juristisch gesehen sind wir erledigt. Gesetze werden verabschiedet, die lebenswichtige medizinische Versorgung verbieten. Es gibt keinen Raum, in dem trans* Personen existieren und sich sicher fühlen können. Das macht Angst. Aber ich versuche dem entgegenzutreten, indem ich Räume schaffe, in denen queere Kinder und Personen sich gesehen fühlen und für einen Moment Freude empfinden können.

taz: Durch Ihre Social-Media-Präsenz, Ihre Musik und Ihre Rolle als „Cal“ in der Serie „Sex Education“ geben Sie besonders queeren schwarzen Jugendlichen Identifikationsraum. Glauben Sie, ein Album wie dieses oder eine Rolle wie Cal hätte Ihnen in Ihrer eigenen Jugend geholfen?

Saleh: Ja, darüber denke ich oft nach. Wie wäre ich gewesen, wenn ich Cal oder mich selbst als Sän­ge­r:In gehabt hätte, als ich jünger war? Ich wäre viel selbstbewusster gewesen. Ich wäre ein völlig anderer Mensch. Natürlich hätte das allein nicht alles perfekt gemacht, aber es hätte meine Angst gelindert. Trotz allem bin ich optimistisch für die Zukunft. Es werden immer mehr Filmrollen für trans* Rollen geschrieben und mehr queere Künst­le­r:In­nen in der Öffentlichkeit stehen. Diese Repräsentation kann Leben verändern und retten.

taz: Bereits vor dem Album haben Sie die Single „Daylight Falls“ veröffentlicht. Mit dem Lied machen Sie auf den Bürgerkrieg im Sudan aufmerksam, wo Sie geboren sind. Speziell erwähnen Sie die Darfur Women’s Action Group, die sich für Menschen vor Ort einsetzt. Wie spiegelt sich das in dem Lied?

Saleh: Der Sudan wird immer ein Teil von mir bleiben und deswegen auch mein künstlerischer Abdruck sein. Ich wäre nicht ich ohne meine Kultur, ohne die Leute, die meinen Blick auf Gender, Rassismus und imperiale Strukturen beeinflusst haben, ohne Protestierende wie die Frauen der Darfur Women’s Action Group. Deswegen werde ich bei jeder Gelegenheit über meine Leute, die Ungerechtigkeiten, die Hungersnot und den Krieg im Sudan sprechen. Es wird zu wenig getan, um die Menschen im Sudan zu unterstützen. Für mich schafft meine künstlerische Präsenz auch Möglichkeiten, um Informationen über mein Heimatland, den Sudan, zu teilen.

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