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Druck auf Lukaschenko in BelarusAutokrat verliert Loyale

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Die Luft für für Diktator Alexander Lukaschenko in Belarus wird dünner. Nur wenige halten noch zu ihm.

Tausende demonstrieren am Sonntag in Minsk gegen den weißrussischen Diktator Lukaschenko Foto: Evgeniy Maloletka/AP

W enn Hunderttausende auf die Straße gehen, um einem Präsidenten zu sagen: „Verschwinde!“, sollte sich dieser wirklich überlegen, wie er noch einen gesichtswahrenden Abgang hinbekommen kann. Doch selbst wenn Alexander Lukaschenko diese Woche politisch überleben sollte, ist trotzdem klar: Das scheinbar stabile Belarus eines Alexander Lukaschenko, das in Russland wie auch im Westen ein passables Standing hatte, gibt es nicht mehr.

Die 7.000 Menschen, die er nur wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen hatte verhaften lassen und die fast alle schwer traumatisiert die Haftorte verlassen haben, verbieten eine Rückkehr in die Zeit von vor dem 9. August 2020. Kaum eine Familie in Minsk, die nicht einen Bekannten oder Verwandten hat, der von Lukaschenkos Schergen gefoltert worden ist.

Jede Diktatur braucht zum Überleben zumindest einen Teil der Bevölkerung, der ihr gegenüber loyal ist. Lukaschenko-treu ist jedoch nur noch, wer auf dessen Gehaltsliste steht, als Polizist, Staatsanwalt oder Gefängniswärter. Mit Gewehrläufen kann man Arbeiter nicht von Streiks abhalten.

Hoffnungsvoll ist, dass die Opposition in Belarus gut aufgestellt ist und offensichtlich Fehler vermeidet, die im Nachbarland Ukraine beim Kampf gegen den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch gemacht worden sind. Die belarussische Opposition hat keine rechtsradikalen Leitbilder, sie integriert alle Kräfte, von national eingestellten Volksfrontaktivisten bis zu Gewerkschaftern, Feministinnen, Linken und Anarchisten. Es ist kein Manko, dass die Führungsfigur Swetlana Tichanowskaja derzeit überhaupt nicht in Belarus weilt. Der Fall Nawalny zeigt, dass Führungspersönlichkeiten im postsowjetischen Raum große persönliche Risiken auf sich nehmen.

Überlegen muss sich die Opposition nun, wie sie mit Lukaschenkos Hinterlassenschaft umgeht. Bleibt zu hoffen, dass ihr gelingt, was dieser immer nur vortäuschte: ein stabiles Land zu schaffen, das mit Russland wie mit dem Westen gleichermaßen auf Augenhöhe verhandeln kann.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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1 Kommentar

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  • Wenn das ein Nachruf auf Lukaschenka sein sollte, kommt er zu früh. Der Mann hat keine Scham. Und die weißrussische Bevölkerung ist zu anständig.