Drohende Commerzbank-Übernahme: Bund will Unicredit machen lassen
Angesichts einer drohenden Übernahme durch die Unicredit ist die Commerzbank unter Druck. Nun wird die Konzernspitze neu besetzt.
Inmitten des Übernahmekampfs besetzt die Commerzbank vorzeitig ihre Konzernspitze neu. Die künftige Vorstandschefin Bettina Orlopp kann schon kommende Woche das Ruder übernehmen. Der bisherige Vorstandschef Manfred Knof tritt zum Monatsende ab. „Darauf haben sich der 59-Jährige und der Aufsichtsrat verständigt“, teilte die Commerzbank mit. Unicredit-Chef Andrea Orcel hält sich alle Optionen offen.
Die Unicredit war überraschend im großen Stil bei der Commerzbank eingestiegen. Zuletzt hatten sich die Italiener über Finanzinstrumente die Option gesichert, ihren Anteil von 9 auf 21 Prozent aufzustocken. Damit wäre die Unicredit mit Abstand größter Aktionär – vor dem Bund, der rund zwölf Prozent hält. Zugleich beantragte die Unicredit die behördliche Erlaubnis, ihren Anteil auf bis zu 29,9 Prozent zu erhöhen. Damit wird ein offizielles Übernahmeangebot für die Commerzbank wahrscheinlicher.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach jüngst erst von einer „unfreundlichen Attacke“. Der Bund hat entschieden, bis auf Weiteres keine Commerzbank-Aktien mehr zu verkaufen.
Vorzeitiger Wechsel an der Führungsspitze
Mit dem vorzeitigen Chefwechsel schafft Deutschlands zweitgrößte Privatbank Klarheit angesichts einer drohenden Übernahme durch die Mailänder Großbank. Die Commerzbank hatte erst am Dienstagabend erklärt, dass sie ihre Führungsspitze rasch neu besetzt und Orlopp (54) mit dem Ausscheiden von Knof „zeitnah“ auf den Chefposten rücken soll. Nun wird der Zeitpunkt konkret. Knof habe das Geldhaus in einer schwierigen Lage übernommen und zurück auf Erfolgskurs geführt, teilte Aufsichtsratschef Jens Weidmann mit.
Weidmann stärkte dem Management den Rücken. Orlopp übernehme die Führung „in dieser für die Zukunft unserer Bank entscheidenden Phase“, betonte er in einem Brief an die Mitarbeitenden. Orlopp zur Seite steht künftig Michael Kotzbauer als stellvertretender Vorstandsvorsitzender. „Damit haben wir insgesamt ein schlagkräftiges Vorstandsteam, das über langjährige Commerzbank-Erfahrung verfügt und entschlossen zur Commerzbank steht“, so Weidmann. „Ich betone dies, denn die Commerzbank ist nicht irgendeine Bank.“ Mit fast elf Millionen Privat- und Unternehmenskunden sei das Geldhaus „von zentraler Bedeutung für die deutsche Wirtschaft“.
Anfang September hatte der Frankfurter Dax-Konzern mitgeteilt, dass Knof seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wolle. Er führt die Bank seit 2021 und hatte den Umbau des Instituts vorangetrieben. Im vergangenen Jahr schrieb die Commerzbank einen Rekordgewinn. Doch mit dem Einstieg der Unicredit geriet die Commerzbank unter Druck, Investoren forderten schnelle Klarheit in der Führungsfrage.
Orlopp galt schon lange als die Favoritin für die Nachfolge. Die promovierte Betriebswirtin ist bereits Vize-Chefin und seit Herbst 2017 Teil des Commerzbank-Vorstands. Sie wird die erste Chefin in der 154-jährigen Geschichte der Commerzbank und erst die zweite Frau überhaupt, die alleine einen Dax-Konzern führt – neben Merck-Chefin Belen Garijo.
Unicredit hält sich alle Optionen offen
Unicredit-Chef Andrea Orcel hält sich nach dem Einstieg bei der Commerzbank alle Optionen offen. „Die Commerzbank ist ein Investment. Nichts anderes.“ Derzeit gebe es kein Übernahmeangebot, sagte Orcel auf einer Branchenkonferenz in London. Ein Zusammengehen mit der Commerzbank könne aber zum „Testfall für Europa“ werden, das größere Banken brauche. Die Commerzbank passe strategisch gut zur Unicredit.
Der deutsche Bankenmarkt sei fragmentiert und Unicredit habe Erfahrung vor Ort, sagte Orcel in Anspielung auf die Tochter HypoVereinsbank (HVB), die 2005 von der Unicredit übernommen worden war. Zugleich betonte Orcel erneut, die Unicredit sei nicht unter Zugzwang. „Wir können den Commerzbank-Anteil auch wieder verkaufen.“ Bei großen Fusionen brauche es Einigkeit auf beiden Seiten.
Berlin plant keine Abwehr von Unicredit – und übt Kritik
Finanzminister Christian Lindner (FDP) kritisierte im Bundestag den Stil der Unicredit. Das Vorgehen habe die Bundesregierung überrascht und „nicht Vertrauen in die Unicredit gestärkt“. Jetzt liege alles Weitere in der Hand von Management und Aufsichtsrat der Commerzbank. Vonseiten der Bundesregierung stehe kein weiterer Schritt an. Lindner stellte jedoch klar: „Wenn die Bundesregierung Anteile veräußert, dann sind wir zu einem diskriminierungsfreien Verfahren gezwungen.“
Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) hatte in Briefen an Lindner und Scholz vor den Folgen der drohenden Übernahme gewarnt. „Diese Entwicklung birgt potenzielle Risiken, die nicht nur die Stadt Frankfurt am Main, sondern auch den Bankenstandort Deutschland betreffen“, heißt es in den Schreiben. Frankfurt sei seit Jahrzehnten bedeutendster deutscher Finanzplatz, „und die Commerzbank spielt hierbei eine zentrale Rolle“.
Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch hatte die Bundesregierung zuvor aufgefordert, die Übernahme der Commerzbank durch Unicredit zu verhindern. Es sei „ziemlich einmalig, dass die Bundesrepublik als eine der größte Wirtschaftsmächte der Erde bei einer ihrer größten Banken ihres Landes Anteilsverkäufe avisiert und diese dann zu einer feindlichen Übernahme führen, weil man die Ausschreibung nicht so gestaltet hat, dass kein einzelner Übernehmer alles bekommt“, sagte Koch der Berliner Zeitung.
Nicht nur die Bundesregierung, auch die Deutsche Bank will sich aus dem Übernahmeringen heraushalten. Das Institut konzentriere sich auf sich selbst, sagte Finanzvorstand James von Moltke auf einer Branchenkonferenz. Die Deutsche Bank habe noch Arbeit vor sich, bevor sie bereit sei, an einer Branchenkonsolidierung teilzunehmen.
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