Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Mit Straßen kennt sie sich aus
Daniela Ludwig ist Verkehrspolitikerin. Bald soll sie zu Koks, Gras und Alkohol arbeiten. Dass sie da keine Expertise hat, findet ein Minister okay.
Ab kommender Woche soll die die CSU-Politikerin Daniela Ludwig das Amt der Drogenbeauftragten übernehmen. Noch muss die Personalie vom Bundeskabinett bestätigt werden, das gilt jedoch als Formsache. Kritik an der Besetzung kommt von unterschiedlichen Seiten; denn es ist unklar, was Ludwig als Drogenbeauftragte auszeichnen soll. Bislang ist die 44-Jährige aus Rosenheim verkehrspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag.
Empfohlener externer Inhalt
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) begrüßte die Besetzung, formulierte jedoch auch niedrigste Anforderungen an Ludwig: Kandidaten für das Amt müssten „mitten im Leben stehen“, schrieb er bei Twitter. „Als langjährige Bundestagsabgeordnete und ehrenamtliche Kreisrätin bringt Daniela Ludwig genau das mit.“ Als Nutzer*innen das kritisierten, setzte die CSU-Politikerin bei Twitter selbst einen drauf: Sie fragte rhetorisch, ob Justizminister sich denn auch mit Mord auskennen müssten.
Empfohlener externer Inhalt
Die Organisation Leap (Law Enforcement Against Prohibition) zeigt sich trotz solcher Äußerungen erst einmal gelassen, was die Personalie angeht. „Wir werden versuchen, weitestgehend unbeeinflusst durch solche Geschichten, auf sie zuzugehen“, sagte der Vorsitzende des Vereins in Deutschland, Hubert Wimber, der taz. Wimber arbeitete länger als 15 Jahre als Polizeipräsident in Münster und setzt sich gemeinsam mit Richter*innen, Staatsanwält*innen und Polizist*innen für eine fortschrittliche Drogenpolitik ein.
Seine Wunschbesetzung ist Ludwig nicht, er hätte eine*n Kandidat*in mit einem entsprechenden Erfahrungshintergrund gut gefunden. Doch Wimber sagt auch: „Wir sind gesprächsbereit und wünschen uns von ihr nicht mehr als Dialogbereitschaft.“ Die internationale Entwicklung mit liberaleren Gesetzen in anderen Ländern zeige, dass der Weg der Repression in der Drogenpolitik gescheitert sei. „Es gilt, sich hier sachkenntlich zu machen und in den Diskurs zu treten.“
Den Linken ist die Neubesetzung zu mutlos. „Wir brauchen dringend einen drogenpolitischen Neustart, weg von Ideologie, hin zur evidenzbasierten Drogenpolitik“, erklärte Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion. Dafür sei eine staatlich regulierte Drogenpolitik und eine Entkriminalisierung der Konsument*innen nötig.
Ähnliche Worte kommen auch von den Grünen. Dort sagt die drogenpolitische Sprecherin, Kirsten Kappert-Gonther, mit Ludwig könne es nur besser werden als mit ihrer Vorgängerin Marlene Mortler (auch CSU).
Mortler machte auf Fragen, warum Alkohol legal sei und Cannabis nicht, mit dieser Aussage auf sich aufmerksam: „Weil Cannabis eine illegale Droge ist. Punkt.“
Oliver Ewald, Sprecher Gesundheitsministerium
„Auf dem Schwarzmarkt gibt es weder Jugend- noch Gesundheitsschutz“, erklärt die Grüne Kappert-Gonther. Auch deshalb bräuchten Heroinabhängige bessere Zugänge zu Substitutionsprogrammen, außerdem müsste Cannabis staatlich kontrolliert und in Fachgeschäften abgegeben werden. „Kanada macht es vor.“
Ob all diese Entwicklungen in der Bundesregierung verfolgt werden, ist unklar. Gemeinsam mit dem Schildower Kreis und drei weiteren Organisationen hatte Leap den SPD-Politiker Burkhard Blienert als neuen Drogenbeauftragten der Bundesregierung vorgeschlagen. Dieser sei in der Koalition durchsetzbar gewesen und hätte als ehemaliger drogenpolitischer Sprecher auch die Expertise mitgebracht, sagt Ex-Polizeipräsident Wimber.
Fachkunde wäre für das Amt aber etwas gänzlich Neues, das sagte zumindest der Sprecher im Gesundheistministerium auf eine weitere Frage Tilo Jungs: „Im Übrigen war es nach meiner Erinnerung auch nicht so, dass die anderen Drogenbeauftragten der Bundesregierung in der Vergangenheit da so einen Hintergrund hatten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich