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Drittes Todesopfer in KölnWenn Autos zu Waffen werden

Die illegale Kölner Rennszene testet ihre Grenzen mitten in der Innenstadt aus. Es ist das dritte Mal, dass wegen der Raserei ein Unbeteiligter stirbt.

Mit Blumen, Bildern und Kerzen: Kölner gedenken des Opfers an der Unfallstelle. Foto: dpa

KÖLN taz | Eine große Kreuzung in der Innenstadt von Köln: Unfallmarkierungen erstrecken sich über beide Straßenseiten bis zu den Bürgersteigen. Ein 26-jähriger Fahrradfahrer ist hier tödlich verletzt worden, als sich zwei junge Männer ein Autorennen lieferten.

In Köln ist es das dritte Mal innerhalb weniger Monate, dass ein Unbeteiligter stirbt, weil die illegale Kölner Rennszene ihre Grenzen mitten in der Innenstadt austestet. „Ich fühle mich nicht mehr sicher“, sagt ein Student, der Blumen an der Gedenkstelle ablegt. Kurz vor dem Unfall habe er selbst noch die Stelle passiert.

Der Unfall hat in der ganzen Stadt Betroffenheit ausgelöst. Die Kreuzung liegt auf dem Weg zur Uni, in die Innenstadt und zu den Studententreffpunkten. Auch der Sohn des ehemaligen Kölner Oberbürgermeistes Fritz Schramma ist vor 14 Jahren durch einen Raser gestorben. Die Stadt hat seit Jahren ein Problem mit der Szene, über hundert Fahrverbote sprach die Polizei allein in den letzten Wochen aus.

Die Fahrer seien meist zwischen 18 und 25 und männlich, so eine Sprecherin der Polizei. Oft seien es Kölner, doch viele kämen auch aus dem Umland. In Rheinland scherzt man seit Jahrzehnten, das Kennzeichen von Bergheim, BM, stehe für „bereifter Mörder“, denn die Bergheimer sind für ihren Fahrstil berüchtigt. Und tatsächlich kommt laut Polizei ein großer Teil der Szene aus der Kreisstadt. Besonders abends und am Wochenende trifft man sich in Köln. Ausgerechnet die belebte Innenstadt ist bekannter Treffpunkt für laute, frisierte Wagen mit vielen PS, die die Kurzstrecken von Ampel zu Ampel rasen.

Jetzt fordern die Kölner neue Maßnahmen gegen Raser. Mehr Kontrollen, härtere Strafen, Schwellen und Kurven auf den Straßen wollen Politiker und Anwohner. Eine weiter Möglichkeit wäre, die Ampelphasen so abzustimmen, dass es grüne Welle bei 50 km/h statt, wie häufig, nur bei 80 km/h gibt.

Erste Schritte für mehr Sicherheit wurden in den letzten Tagen bereits umgesetzt. Am Freitag wurde im Stadtteil Mülheim ein Slalomweg errichtet und die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer begrenzt. Im April ist dort eine 19-Jährige Fahrradfahrerin durch einen Raser gestorben, der beim Wettrennen die Kontrolle über seinen Wagen verloren hatte.

Ebenfalls am Freitag veröffentlichte die Kölner Polizei jedoch auch die Ergebnisse der verschärften Geschwindigkeitskontrolle nach dem Unfall von letzter Woche. Sie zeigt, dass die Hardliner sich weder vom Unfall noch von drohenden Geldstrafen beeindrucken lassen: Ein Fahrer war sogar mit 117 Stundenkilometern unterwegs. In der Innenstadt, genau auf der Strecke zum Unfallort, wo die Begrenzung bei 50 km/h liegt.

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10 Kommentare

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  • 3G
    3618 (Profil gelöscht)

    In der Schweiz werden solche Strafen verhängt:

    "Raserdelikte werden neu mit mindestens 2 Jahren Führerausweisentzug sanktioniert. Wiederholungstäter müssen den Fahrausweis grundsätzlich für immer abgeben. In Ausnahmefällen ist bei einem positiven verkehrspsychologischen Gutachten eine Wiedererteilung nach frühestens 10 Jahren möglich. Weiter droht Rasern neu zwischen 1 und 4 Jahren Gefängnis. Seit dem 1. Januar 2013 haben die Behörden auch die Möglichkeit, bei groben Verkehrsregelverletzungen (wie beispielsweise Rasen) das Fahrzeug eines Delinquenten einzuziehen und zu verwerten."

    Diesen Typen sollte man die Fahrzeuge wegnehmen.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Es muss klar sein, dass wir hier über die Spitze des Eisbergs reden.

     

    Raserei in den Städten wird durch eine riesige Propagandamaschinerie unterstützt.

    Wir wissen längst, dass Autofahren in Deutschland täglich etwa 12 Tote „produziert“.

    Wir wissen längst, dass Autofahren erhebliche Schäden verursacht – von der Ressourcen-Vernichtung über den Kohlendioxyd-Ausstoß bis zum Platzverbrauch.

    Wir wissen längst, dass das Fahrrad in Städten auf drei Kilometer immer und auf sieben meistens schneller ist.

    Wir wissen längst, dass Mischverkehr am sichersten ist.

     

    Und dennoch unterstützen wir massiv den Autowahn. Und dabei ist die Raserei in den Städten nur der Gipfel. Bis heute tragen wir die Propaganda der Auto-Mobilisierung unfiltriert weiter und tun so, als sei das Automobil in der Lage uns ständig überall hin zu bringen. Pustekuchen: Wer Wind sät, wird Sturm ernten!

    • 2G
      23879 (Profil gelöscht)
      @7964 (Profil gelöscht):

      Ich weiß nicht, von welcher Propaganda Sie reden, aber ohne Auto müßte ich meine Tätigkeit aufgeben und mich bei der Armutsverwaltung melden. Fahrrad mag in der Stadt funktionieren. Auf dem Land ist man damit aufgeschmissen. Unsere Republik besteht nicht nur aus Städten.

       

      Den Zusammenhang, den sie zur Raserei herstellen, ist mir auch nicht klar. Diese Typen müssen einfach nur erzogen werden - ggf. per MPU. Man muß die bestehenden Gesetze einfach nur mal anwenden.

      • @23879 (Profil gelöscht):

        Die Propaganda ist zweierlei.

         

        Das Offensichtliche ist die Autowerbung - man muß schon sehr genau hinsehen, wenn man was Anderes als Größer, stärker, schneller finden will, und Freude am Fahren auf natürlich absolut menschenleeren Fahrbahnen.

         

        Das weniger offensichtliche ist die Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur am Auto, während für Radfahrer irgendwas knapp den Vorgaben entsprechendes hingepfuscht wird, wobei sich aus der gewählten Planung leider nicht nur eine ständige Schikane, sondern auch regelmäßig eine erhebliche Gefährdung ergibt, die der Radfahrer als der Schwächere gefälligst ausgleichen soll. Kann man ihm ja zumuten, ist ja kein echter Verkehr ...

        • 2G
          23879 (Profil gelöscht)
          @Bodo Eggert:

          Das mag ja sein. Aber Autoreklame und Verkehrsinfrastruktur für illegale Autorennen verantwortlich machen zu wollen, ist trotzdem Unsinn.

           

          Tatsächlich liegen die Ursachen in der Sozialisierung, Bildung, beruflichen Perspektive usw.

           

          In meinem Umfeld läßt sich schließlich auch niemand Autorennen und dummer PS-Protzerei hinreißen, obwohl wir derselben Werbung und Verkehrsinfrastruktur "ausgesetzt" sind.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Und was bekommen solche Leute als Strafe. Ein Freund meines ältesten Sohnes ist kurz vor dem Abitur von einem wahrscheinlich bekifften oder betrunkenen jungen Mann totgefahren worden, der Fahrerflucht beginn und sich erst Tage später der Polizei stellte. Heraus kamm: eine Bewährungsstrafe.

     

    Da muss man sich nicht wundern, dass diese Halbstarken ihre Rennen weiterfahren. Abgesehen davon gehört der Verkehr von Nichtanliegern nicht in die Städte!

  • Nur mit Grausen ist diese Stelle zu passieren - die es auch sonst wegen vieler kreuzender Verkehrsströme -

    nur teilweise beampelt - in sich hat.

    Die kreuzende Innere - soz. der zweite Ring - ist zudem mit 70/80 km/h zugelassen unterwegs;

    das wird gern in die nächsten Straßen mitgenommen -

    & Zebrastreifen&Radfahrübergänge -

    sind Kölnern - genauer in Köln -negligable - unbeachtlich.

     

    By the way -

    "Eine weiter Möglichkeit wäre, die Ampelphasen so abzustimmen, dass es grüne Welle bei 50 km/h statt, wie häufig, nur bei 80 km/h gibt. .. "

    Vergeßt es - das gab es sch mal vor langer Zeit - gerade auf der stadtauswärts Aachner ab dieser Kreuzung.

    Und wurde genau deswegen - no limit in the car - geändert.

     

    Ein Grundfehler liegt bei den

    3 - 4 Ringen, vor allem dem 1. darin,

    daß trotz ausreichendem Platz -

    Verkehrsfluß vor Avenue-Ausbau ging/geht

    d.h. mit verschobenen Bahnen/Fahrstreifen/Mittelstreifen etc

    Die gern auch abendliche/nächtliche Rasanz etc erst gar nicht - Birne hin oder her - aufkommen kann.

     

    Autostadt halt - in der sich ein OB damit dicke tat - daß er die Starenkästen "einsacken" ließ.

    Das tragische Ende davon ist bekannt.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Junge testosterongesteuerte Männer, die sich mangels Hauptschulabschluß über ihr Auto definieren? Mit 3er BMW? In Köln? Das waren sicher nur 3 Einzelfälle.

    http://www.express.de/koeln/illegales-rennen-19-jaehrige-radfahrerin-nach-raser-unfall-in-muelheim-gestorben,2856,30458086.html

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Die Straßenführung das dort als Unfallort gezeigten Auenweges -

      zeigt zudem die Gedankenlosigkeit der Stadtverwaltung -

      Zwar ist jenseits der Leitplanke ein großzügiger Fuß/Radweg via Rheinufer angelegt -

      Die erforderliche Querung durchfährt frauman per Rad aber nur mit gichtigen Händen - liegt sie doch ohne gesonderte Kennung und abgesenkte Bordsteine zudem in einer S-Kurve -

      die geradezu zu slide-Durchfahrung ohne Tempodrosselung einlädt.

  • "Eine weiter Möglichkeit wäre, die Ampelphasen so abzustimmen, dass es grüne Welle bei 50 km/h statt, wie häufig, nur bei 80 km/h gibt."

    Das ist zwar sinnvoll, aber was hat das mit dem Thema zu tun? Teilnehmern illegaler Strassenrennen dürften Ampeln ohnehin ignorieren. Gegen diese Raser, die illegale Rennen in der Innenstadt veranstalten, muß man konsequent repressiv vorgehen: Autos konfiszieren, Strafverfahren.