Dritte Staffel „Babylon Berlin“: Alle waren da
Bei der Premiere der dritten Staffel „Babylon Berlin“ wird es eng. Allein die Aufzählung der hochkarätigen Besetzung dauert eine halbe Stunde.
Den größten Lacher erzielt Moderatorin Ina Müller gleich zu Beginn – als sie ihre Geschichtslektion, dass im Kino „Zoo Palast“, als dieses noch „Palasttheater am Zoo“ hieß, schon der Film „Metropolis“ 1927 seine Uraufführung erlebt habe, mit dem Zusatz garniert: „Die ARD-Zuschauer im Publikum werden sich noch erinnern.“ Tatsächlich würde es diesen Abend ohne den langen Atem der im Schnitt über sechzigjährigen ARD-Gucker nicht gegeben haben.
Als es vor zwei Jahren losging mit der Ausstrahlung des Fernseh-Großereignisses „Babylon Berlin“, und zwar auf dem Abo-Sender-und-nebenbei-Streamingdienst Sky, hielten nicht wenige die ARD für bekloppt. Übernimmt den Großteil der beispiellosen Kosten, nur um die Serie dann über ein Dreivierteljahr später wiederholen zu dürfen! Wer wird denn so lange darauf warten?!
Die Rechnung ist aufgegangen. Nur deshalb konnte am Montagabend an besagtem Ort die „Weltpremiere“ – von zwei von zwölf Folgen – der dritten Staffel „Babylon Berlin“ stattfinden, produziert in der bewährten Partnerschaft.
Und die Zahl der lebenden deutschen Schauspieler, die nicht da waren, dürfte geringer sein als die derer, die da waren. Von denen die Mehrheit wiederum in der Serie mitgespielt hat. Es kostete die drei Serienschöpfer Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik („Henk“) Handloegten am Ende eine halbe Stunde, sie alle namentlich zu nennen und auf die Bühne zu rufen.
Lars Eidinger gibt in der Serie den linkischen Industriellen-Erben Alfred Nyssen (= Thyssen) mit rechten politischen Neigungen. In der neuen Staffel darf er etwas prophetisch die Weltwirtschaftskrise vorhersagen. Die Handlung setzt bildgewaltig am Schwarzen Freitag des Jahres 1929 ein: mit schnieken Bankern, wie sie sich wahlweise erschießen oder erhängen.
Dann kommt die Rückblende: Die dritte Staffel, wiederum lose auf einem Roman von Volker Kutscher basierend, Kutscher selbstredend im Premierenpublikum, spielt also in den fünf Wochen vor dem 25. Oktober. Setzt da ein, wo die zweite Staffel aufgehört hat. Lotte Ritter (Liv Liesa Fries) macht immer noch die ganze Ermittlungsarbeit fast allein – und wird von den Männern nach wie vor nicht für voll genommen. Außer von Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch).
Dessen Beziehung mit der – vermeintlichen – Witwe seines Bruders (Hannah Herzsprung) ist in der Krise, seit er begriffen hat, dass sein nur totgeglaubter Bruder identisch ist mit dem mysteriösen, „Mabuse“-artigen Hypnose-Arzt Dr. Anno Schmidt (Jens Harzer). Die „Witwe“ wendet sich Nyssen zu, alldieweil Greta Overbeck (Leonie Benesch), nachdem als Kommunisten getarnte Nazis sie zum Mord an dem guten, jüdischen Regierungsrat Benda (Matthias Brandt) angestiftet hatten, ihrer wahrscheinlichen Dekapitation mit dem erstaunlich kompakten Handbeil entgegensieht.
Vor einem Jahr hat Friedrich Küppersbusch hier in der taz noch über den Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen erklärt: „Der kann ungeschminkt in der nächsten Staffel von ‚Babylon Berlin‘ mitspielen.“ Nun spielt Küppersbusch selber mit – als Overbecks Richter. Die schauspielerische Lücke, die die Serientode von Benda/Brandt und dem korrupten Kommissar Bruno Wolter (verkörpert von dem tollen Peter Kurth) gelassen haben, kann er nicht schließen.
Die Aufgabe fällt – neben Meret Becker und Martin Wuttke – Ronald Zehrfeld („Im Angesicht des Verbrechens“) zu. Als Walter Weintraub, dem das Stilett locker im Knöchelhalfter sitzt, ist er der neue partner in crime des „Armeniers“ (Mišel Matičević). Der will nun auch im Babelsberger Filmgeschäft mitmischen. So ein Filmdreh im Film ist praktisch: Da kann die – sehr teure – Kulisse auch gleich die Kulisse spielen.
„Babylon Berlin“, dritte Staffel, zwölf Folgen, ab 24. Januar, Sky
Eine gesichtslose Gestalt in schwarzer Kutte geht also um und ermordet die Hauptdarstellerinnen, Rath und Ritter ermitteln: ab 24. Januar auf Sky und ein Dreivierteljahr später dann auch wieder im Ersten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball