Dritte Niederlage für FC Bayern München: Gereizt, aggressiv, ratlos
Der FC Bayern München verliert das dritte Spiel hintereinander, 2:3 gegen den VfL Bochum. Der Meister tritt in einen Prozess der Selbstzerfleischung.
Der Fußball ist voller ungewöhnlicher Fachbegriffe, es gibt die „Bogenlampe“, den „Abstauber“, diverse Fachlexika sind zu semantisch interessanten Wortschöpfungen erschienen. Dennoch fällt den Beteiligten immer etwas Neues ein. So kam Jan-Christian Dreesen, dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern, am Sonntagabend in Bochum ein Begriff in den Sinn, der so außergewöhnlich ist, dass er wohl kaum übergehen wird in den Jargon. Er halte nichts von diesen „monströsen Trainerunterstützungsbekundungen“, sagte Dreesen nach der 3:2-Niederlage des Rekordmeisters.
Das klang dann erst mal so, als müsse Thomas Tuchel in dieser Woche konkret um seinen Job fürchten. Als dann aber jemand fragte, ob der derzeitige Chefcoach auch am kommenden Wochenende in der Partie gegen Leipzig auf der Bank sitzen werde, erwiderte Dreesen sehr klar: „selbstverständlich“.
Sofern nicht am Tegernsee, im Haus des Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß, ganz andere Pläne entstehen, wird es vorerst keine personellen Konsequenzen geben. Obgleich die Differenzen zwischen Teilen der Mannschaft und dem Trainerteam immer deutlicher sichtbar werden. Nach dem Spiel kam es im Gang zu den Kabinen zu einer emotional stark aufgeladenen Auseinandersetzung zwischen Tuchels Assistenten Zsolt Löw und dem Chefspieler Joshua Kimmich, der sich vielleicht über seine Auswechselung geärgert hatte. Oder über irgendetwas anderes, in jedem Fall kochte Kimmich vor Wut.
„Ich weiß, was los war, aber das ist nichts für die Öffentlichkeit“, sagte Tuchel später, und Dreesen erklärte: „Josh muss einigermaßen bedient gewesen sein auf der Auswechselbank. Der gibt immer alles, will gewinnen und will spielen, und wenn der Trainer ihn rausnimmt, dann ist das auch in Ordnung.“
„Ein Horrorfilm“
Die Lage ist angespannt wie lange nicht in München nach diesem spektakulären Duell gegen eine voller Hingabe nicht nur kämpfende, sondern auch spielende Bochumer Mannschaft. Leon Goretzka verglich diese Februarwochen mit einem „Horrorfilm, der irgendwie nicht aufhört“, und sagte: „Eine Erklärung dafür zu finden ist schwierig.“ Die Bayern sind dieses Gefühl nicht gewohnt, das eine Niederlagenserie auslöst. Zudem flog der Verteidiger Dayot Upamecano zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen vom Platz; nicht weil er die Nerven verlor oder übermotiviert agierte, sondern aufgrund einer Ungeschicklichkeit.
Jetzt haben sie erstmals seit 2015 drei Partien am Stück verloren, damals stand jedoch längst fest, dass sie Deutscher Meister werden würden. Der zwölfte Bundesligatitel am Stück sei „jetzt gerade nicht so realistisch“, sagte Tuchel. Viel wichtiger ist jetzt, dass sie irgendwie diese Negativdynamik stoppen, am bestem beim Spiel gegen Leipzig am kommenden Samstag und allerspätestens im Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Lazio Rom.
Denn wenn die Bayern im Europapokal gegen eine in der italienischen Liga nur mittelmäßig erfolgreiche Mannschaft ausscheiden sollten, ist diese Saison endgültig nicht mehr zu retten. Und Tuchel womöglich auch nicht. Seine Vorgänger Niko Kovac, Carlo Ancelotti und Julian Nagelsmann haben nie drei Partien am Stück verloren, sie hatten auch nie acht Punkte Rückstand auf den Tabellenführer – und wurden trotzdem entlassen. Bei Tuchel kommt ein Problem hinzu, das bei keinem der drei anderen derart ausgeprägt gewesen ist: die Stimmung ist extrem schlecht.
Man kann das an den Gesichtern ablesen, an den Gesten rund um die Auswechselbank, an der ganzen Körpersprache, an der Dünnhäutigkeit Tuchels im Gespräch mit Experten und Journalisten, an Upamecanos Platzverweisen oder an Kimmichs Streit mit Coach Löw. Dass Tuchel selbst nicht zur Pressekonferenz kam, passte da irgendwie ins Bild. Die offizielle Begründung für dieses Fernbleiben lautete, dass das Team rechtzeitig am Flughafen Düsseldorf ankommen müsse, um noch nach München zurückzufliegen.
Aber ganz sicher war Tuchel froh, nicht noch mehr anstrengende Journalistenfragen zur schwierigen Lage beantworten zu müssen. Das werden der angeschlagene Trainer und die Klubführung in den kommenden Tagen tun müssen, denn etwas muss sich ändern beim FC Bayern. Damit die Dynamik des sportlichen Niedergangs gestoppt wird, die mehr und mehr auch zu einem Prozess der Selbstzerfleischung wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers