Drangsalierung von Journalisten: Die täglichen Einzelfälle

Zensur wie im Mittelalter: Was die Unterdrückung der freien ausländischen Presse angeht, ist Peking nicht gerade zimperlich.

Skifahrer bei der Abfahrt.

Die einen fahren Ski, die anderen berichten darüber. So ist das normalerweise Foto: ap

Solche Dinge passieren eben, sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Er meinte weder die stürzenden Abfahrer noch die Corona-Infektionen innerhalb der Olympiablase. Nein, der Sportfunktionär sprach von der Belästigung ausländischer Journalisten innerhalb Chinas. Denn während am Freitagabend die Athletinnen ins Vogelnest-Stadion einliefen, wurde der holländische Fernsehjournalist Sjoerd den Daas von einem Sicherheitsbeamten in Zivil bedrängt. Der versuchte wenig subtil, den Korrespondenten aus dem Bild zu drängen, ein anderer schnappte sich das Beleuchtungsstativ. Kaum zu glauben, aber wahr: Die Zensur in der technologisch hochmodernen Volksrepublik funktioniert wie im Mittelalter.

In der Tat gehören solche Zwischenfälle zum täglich Brot des Korrespondentenalltags in China. Der Unterschied diesmal: Das ganze geschah live bei einer Fernsehschalte, während die Welt ihre Augen auf Peking richtete.

Auch ich habe schon mehrere solcher Vorfälle am eigenen Leib erfahren. Oftmals sind es Polizisten, manchmal Mitglieder des Nachbarschaftskomitees, und einmal hat ein „patriotischer Bürger“ eingegriffen. Davon weiß das IOC freilich wenig. Doch hätte es der Organisation gut getan, sich am Freitag in Schweigen zu üben. Stattdessen suchte man nach verharmlosenden Erklärungen. „Da war jemand übereifrig“, sagte IOC-Sprecher Adams salopp – und fügt hinzu: „Ich denke, damit sollte die Sache dann auch erledigt sein.“

Für die ausländischen Journalisten ist die Sache freilich nicht erledigt. Wir würden uns vielmehr eine offene Debatte darüber wünschen, welche Rolle der Staat bei diesen täglichen Einzelfällen spielt. Denn die von der Partei kontrollierten Zeitungen hetzen systematisch gegen westliche Korrespondenten, sodass sich Bekannte von mir nicht selten rechtfertigen müssen, einen „potenziellen Spion“ im Freundeskreis zu haben.

Auch für den Vorfall mit den Daas hat die Nachrichtenagentur Xinhua eine Erklärung gefunden, die ins Schema passt: „Eine nähere Betrachtung des Vorfalls zeigt, dass die Schuld eindeutig bei dem niederländischen Reporter liegt“, heißt es in einer Aussendung. Dieser habe sich schließlich in einem „vorübergehend kontrollierten Gebiet“ befunden. „Es scheint fast so, als wollten sie nicht über Nachrichten berichten, sondern einen Vorfall inszenieren.“ Das könnte man als Propagandageschwurbel abtun. Doch in einem Land, in dem die staatlichen Medien das Meinungsmonopol besitzen, bleiben solche Fake News oft hängen.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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