Dramatiker Bonn Park: Ein Star, der jung bleiben muss

Bonn Park gewinnt seit Jahren mit seinen Stücken Preise und wird doch immer noch als Nachwuchs gehandelt. Aus dieser Schublade muss er raus.

Der jugendlich lächelnde Bonn Park im Freien.

Der Theaterbetrieb möchte den Dramatiker Bonn Park nicht erwachsen werden lassen Foto: Ali Kanaan/Kanaan Brothers

Bonn Park sieht vor der fränkischen Kleinstadtkneipe aus wie gerade eben von der Vogue-Titelseite auf die Straße gehüpft. Dandyhaft lässig, melancholisch-teilanwesend und zugleich schrill-überdreht wie die Namen seiner Theaterstücke: „Das Knurren der Milchstraße“ oder „Flankufuroto“ heißen die etwa. An diesem Abend im Januar 2020 hat sein Theaterstück „Das Deutschland“ im beschaulichen Bamberg Premiere gefeiert. Trotzdem sind die namhaften Feuilleton-Stimmen und Preisjury-Mitglieder des Landes angereist.

Wo Bonn Park auf dem Spielplan steht, werden Pressekarten verteilt, wie in Rap-Videos mit Geldscheinen um sich geworfen wird. Und das, obwohl der Dramatiker über sich sagt, dass er sich überhaupt nicht etabliert fühle. Dabei strotzen seine Stücke vor Mut und überbordender Eigenwilligkeit.

Eine rauchende Giraffe steht neben Kim Jong Un. Dazu die übergewichtige Heidi Klum und Donald Trump, der seinen Präsidentenjob an den Nagel hängt, um auf einem Dampfer anzuheuern. So sieht etwa das Bühnenpersonal aus, wenn Bonn Park in seinen Texten munter etwas Staub aus alten Theatervorhängen klopft.

Pfandflaschen werden in einem Stück zur neuen Währung, ein Außerirdischer beschimpft die Menschheit, und schon ist ein Theaterabend verflogen wie die Folge einer Netflix-Serie. Einfach nur dasitzen und weg­nicken klappt hier nicht ganz so gut, wie man das (Vorsicht: Klischee) von manchem Theater­besuch kennt.

Hip wie einst Wes Anderson

Ursprünglich hätte dieser Artikel genau so weiter verfahren und ein reines Porträt über den 1987 in Berlin geborenen Bonn Park werden können. Eigentlich ein Leichtes: Der Thea­termacher ist hip wie Wes Anderson in der Hochphase seines Personenkults, seine Stücke sind zugleich Dada wie Monty Python und welthaltig wie die epochalen Schlüsselprobleme der Menschheit im Anthropozän.

Hinzu kommt, wie Bonn Park den Theaterbetrieb immer wieder wohltuend vor den Kopf stößt. Etwa indem er eine Oper verfasst, dafür ein Symphonieorchester aus 14- bis 19-Jährigen zusammentrommelt und das Werk 2018 mit sympathisch-unerschrockener Selbstverständlichkeit auf der Hauptbühne der Volksbühne inszeniert.

Mitten im wilden Intendantenwechsel und mit dem Ensemble des Jugendtheaterclubs, der sein Dasein normalerweise auf der Bühne im dritten Stock des Traditionshauses fristet. Auch diese anarchisch eingefärbte Ich-mach-mein-Ding-Geste hat wieder Preise eingefahren.

Was aber, wenn ein solches Porträt fragwürdige Zuschreibungen unkommentiert hinnehmen und dadurch weiter zementieren würde? Zerrbilder Bonn Parks, die unter anderem von ökonomischen Zwängen, latentem Rassismus und Altershierarchien im Theaterbetrieb herrühren.

Tschüs, Schublade

Was nun also folgt, ist die kontrollierte Sprengung einer viel zu engen Schublade, aus der Bonn Park längst herausgewachsen ist. Die überfällige Entsorgung eines Etiketts, das dem Künstler immer wieder auf die Stirn geklebt wurde: „Nachwuchs“. Nein, Bonn Park ist alles andere als Nachwuchs, auch wenn er jung ist und der Theaterbetrieb bekannt dafür, diesen Stempel ohne Hemmungen auch 40-Jährigen noch aufzudrücken.

Und dennoch ist Bonn Park längst nicht etabliert, wie man das von prominenten Namen behaupten kann, deren Stücke die Theaterprogramme landauf, landab bevölkern. In diesem Sinne ist Bonn Park sogar das genaue Gegenteil von etabliert, weil er mit jedem seiner Texte stets Experimentator, Pionier, Außenseiter bleibt. Seine Kunst verwehrt sich den konventionellen Messinstrumenten von künstlerischem Erfolg, und das ist vielleicht das Tollste an diesem Theatermacher. Bonn Parks Texte fordern nicht nur heraus, sie überfordern auch so manche Theaterhäuser.

Seine Lektorin, Andrea Czesienski, erläutert diese Tücke hochambitionierter Stücke: „Ein junger Autor lebt davon, dass seine Stücke quer durch das Land gespielt werden können. Bei Bonn braucht es aber ganz eigene Ideen, um diese Texte auf die Bühne zu bringen. Viele Theater trauen sich das schlicht nicht zu.“ Geht Czesienski jedoch nach den Verlagszahlen seiner Bühnentexte, „dann gehört Bonn zu den Autoren, die regelmäßig bestellt werden. Er wird überall wahrgenommen, er ist bekannt, aber er ist eine echte Herausforderung.“

Diesen Einblick ergänzt Dorte Lena Eilers, Chefredakteurin von Theater der Zeit: „Ist ein Stück erst mal uraufgeführt, wird es kaum nachgespielt. Die Künstler sind gefangen in einer endlosen Produktionsschleife.“

Mehr als bloß dramatische Ideen

Doch Bonn Park ist gerade kein Vielschreiber, der sich diesem Zwang unterwirft. Er spricht sich sogar entschieden dagegen aus: „Ich glaube, es gibt eine allgemeine Annahme, dass jeder gern berühmt sein möchte. Ich würde gern nicht berühmt sein und so arbeiten dürfen, wie ich möchte.“ Seine Theatertexte sind eigenständige sprachliche Kunstwerke, nicht nur dramatische Ideen, die auf die Vervollständigung durch eine Inszenierung warten.

Bonn Parks Stücke sind eigenständige sprachliche Kunstwerke

Bonn Park zielt nicht darauf ab, möglichst schnell zum Zentrum des Theaterbetriebs zu werden, umworben von allen Bühnen des Landes. Diese kulturellen (Macht-)Zentren sind ihm ebenso suspekt wie ein Polit-Theater, dessen Publikum sich daran ergötzt, von samtbezogenen Stühlen aus einer Kritik auf der Bühne zuzunicken, mit der sich alle auf dem Heimweg als die Guten fühlen können.

So kommt etwa „Das Deutschland“ ganz ohne Nazis aus. Stattdessen: Abgründe, die sich in unseren Wohnzimmern, Supermärkten und Floskeln („Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist, aber in diesem Land ist das so“) verbergen. Als würde das Drama die sozialliberale Zivilisiertheit der bürgerlichen Mitte vor dem Spiegel einmal abschminken und hervor käme eine Fratze, deren Anblick man nicht lange ertragen kann. Das Stück ist wie ein Erschrecken vor sich selbst.

Dass der junge Dramatiker gefälligst noch geduldig zu warten habe, bis die Herren der Hochkultur ihn offiziell in die Etage der Etablierten aufnehmen, hat außerdem mit verkrusteten Strukturen zu tun. Immer wieder formuliert Bonn Park, dass er sich im Theaterbetrieb fremd fühle, dass weiße Männer mit Nickelbrillen und Bärten es leichter hätten. „Und selbst wenn Jüngere in hierarchisch höhere Positionen rücken“, so Eilers von Theater der Zeit, „sitzt meist ein älterer (meist männlicher) Kollege über ihnen, der sich dafür rühmt, den Nachwuchs befördert zu haben.“

Bonn Park selbst würde am liebsten fern von alledem arbeiten können: „Mir macht Thea­ter Spaß. Bei der Arbeit, beim Proben, beim Rumwerkeln, bei Krisen, bei der Aufführung. Keinen Spaß macht mir, mich oder andere in eine Rangliste zu stecken. Und auch nicht der Fame und die Missgunst, die darin vibrieren.“

Diversität als Ware

Hätte sich Bonn Park einer perfiden Logik des Theatermarkts unterworfen, wäre der deutsch-koreanische Theatermacher womöglich längst schon Dauergast an allen großen Häusern des Landes.

So macht Remsi Al Khalisi, Chefdramaturg am Thea­ter Bamberg, auf eine Form des latenten Rassismus im Theaterbetrieb aufmerksam, die den zögerlichen Etablierungsprozess Bonn Parks von seiner hässlichsten Seite verstehen hilft: „Wenn jemand als anders wahrgenommen wird, etwa über sein Aussehen, und sich in seiner Kunst nicht mit seinem Anderssein auseinandersetzt, dann wird das kaum wahrgenommen. Der Kulturbetrieb fordert, dass die vermeintlich Anderen sich gefälligst mit ihrem Anderssein beschäftigen sollen.“

Bonn Parks Lektorin kann diese Beobachtung aus der Verlagsperspektive bestätigen. Vor Kurzem habe sie eine Anfrage eines Theaters erreicht, das um Dramenvorschläge von People of Color für den kommenden Spielplan gebeten habe. Diversität ist hier zum käuflichen Marketingwerkzeug von Theatern geworden.

Eine Perversion der Kulturindustrie, der sich Bonn Park mit seinem Schaffen konsequent verweigert: „Ich möchte keine Rolle in der Theaterszene. Ich möchte einfach arbeiten. Ich will mir kein Label auf die Social-Media-Stirn tätowieren und ich will nicht der Wortführer von irgendwas sein. Ich möchte als vollwertige und existierende Person akzeptiert werden, auch wenn ich nicht alles im Internet wegposte, denn wir alle, die das nicht tun, wir sind trotzdem auch auf der Welt und haben Gedanken, nicht im Internet, aber in uns.“

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