Dortmunds Fußballstar auf Kur in Katar: Aufhebung einer No-go-Area
Erling Haaland lässt in Katar eine Verletzung behandeln. Auf politische Hygieneregeln pfeift man beim BVB.
W eltmeisterschaften können Diktaturen besser. Das hat Hans-Joachim Watzke erst zu Beginn des Jahres gesagt, als es mal wieder um die Vergabe der WM nach Katar ging und um die Frage, wie der Fußball mit Staaten umgeht, wo Menschenrechte nicht sonderlich viel wert sind.
Wo solle man denn das Turnier austragen, wenn man es nur noch an lupenreine Demokratien vergeben solle, fragte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Zynisch sei das, räumte er ein, um noch einen ebenso zynischen wie wenig Demokratie wertschätzenden Stammtischklopfer loszuwerden. Für einen Autobahnausbau in Deutschland brauche es 14 Jahre Vorlauf, bis der letzte Eichelhäher umgesiedelt sei.
Muskelfaserrisse können Diktaturen ebenfalls besser. Das hat man diese Woche aus Dortmund neu dazugelernt. Man ahnt bereits: Die Liste könnte künftig nicht nur größer, sondern auch immer kleinteiliger werden. Borussias derzeit wertvollster Spieler Erling Haaland, der an dieser Blessur leidet, hat in diesen Tagen ein mit einem Ratespiel versehenes Foto von sich gepostet. Die Leute, die pandemiebedingt alle zu Hause bleiben sollen, müssen ja auch ein wenig unterhalten werden. Und sie sollten herausbekommen, wo er sich gerade befinde.
Die Antwort lautete natürlich nicht Deutschland, und selbst die wahrscheinlichere Variante (Urlaub in Brasilien) schied aus, schließlich läuft der Spielbetrieb noch und wer wüsste nicht von seiner Verletzung. Die richtige und einzig logische Antwort konnte nur Doha in Katar lauten. Schließlich ist ein Muskelfaserriss eine Allerweltsverletzung, und wo könnte sie besser geheilt werden als in Katar in der Aspire Academy, einem der weltweit größten Trainingszentren für Spitzensportler?
„Ein erstaunlicher Ort“
Die Akademie arbeitet mit der 2007 aufgebauten Aspetar-Klinik zusammen, die sich seit 2009 Fifa Medical Centre of Excellence nennen darf. Der Sohn des Fifa-Chefmediziners Michel d’Hooghe hat dort einen Arbeitsplatz gefunden. Und der einstige Mancity-Profi Yaya Touré schwärmte vor Jahren: „Das ist wirklich ein erstaunlicher Ort. Selbst in Europa haben sie nichts Ähnliches.“ Kein Wunder, in Katar hat man jede Menge Geld in den globalen Hotspot der Sportmedizin gesteckt. Sportswashing, nennt man die politische Strategie des Landes, das eigene Image mit Hilfe des Sports aufzupolieren. Die Fußball-WM 2022 ist nur ein Bestandteil des Programms.
Im Muskelfaserspezialistenemirat ist Haaland nun bestens versorgt. Das versicherte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. Von Experten sei er dort umgeben, die im engen Austausch mit der medizinischen BVB-Abteilung ständen. Aktuelle Bilder aus Doha dokumentierten bereits die ersten Fortschritte. So ganz geheuer ist den Dortmundern der Katar-Trip ihres Stürmers aber offenbar nicht. Recht feige hob Zorc hervor, man sei einem Wunsch Haalands nachgekommen. So als ob die Wünsche eines 20-Jährigen zugleich Gesetz für den Verein seien.
Vielleicht erinnert sich Zorc noch daran, dass er vor vier Jahren ein Dortmunder Trainingslager in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit den Worten verteidigte: „Anders als Katar und Saudi-Arabien ist Dubai keine No-go-Area.“ Er unterschied damals noch zwischen akzeptablen und inakzeptablen Menschenrechtsverletzungen.
Mit Haaland, so erklärte Zorc am Donnerstag, sei abgesprochen, dass er sich an die vor Ort geltenden Hygieneregeln halte. Auf politische Hygieneregeln pfeift man offenbar bei Borussia Dortmund.
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