Neues vom Kroatien-Wahl-Krimi: Gegen alle korrupten Register
Wieder ist in der kroatischen Gemeinde Baška Voda das Wahlvolk aufgerufen, ein neues Gemeindeoberhaupt zu wählen. Steht der regime chance endlich an?
G anz Kroatien redet über den Wahlkrimi an der dalmatinischen Küste. Zum dritten Mal in vier Wochen wird am 15. Juni 2025 versucht, einen Bürgermeister für die Gemeinde Baška Voda zu wählen.
Zwischen Adriastrand und Biokovo-Gebirge sind rund 1.100 Menschen aufgerufen, sich zum dritten Mal den Sonntagsanzug und das Sommerkleid anzuziehen, die Sonnenbrille aufzusetzen und sich in Badeschlappen oder Slippern auf den Weg ins Wahllokal zu begeben, um einen Kreis um Kandidat Nummer eins oder Kandidat Nummer zwei zu machen.
In den ersten beiden Runden war es jeweils zu derart schwerwiegenden Verstößen und mutmaßlichen Wahlfälschungen gekommen, dass das Verfassungsgericht die Wahl und dann auch ihre Wiederholung für ungültig erklärt hatte.
Es ist alles andere als sicher, dass es dieses Mal nicht erneut zu Unregelmäßigkeiten kommt. Ein Bekannter, der als Touristenführer in Split arbeitet, scherzte: „Keine Sorge, ihr werdet noch neunmal die Wahl wiederholen, bis ihr ein Ergebnis habt.“ Er spielte auf die Hartnäckigkeit des nun seit 32 Jahren regierenden Bürgermeisters an, der alle Register zieht, um an der Macht zu bleiben. Die Mehrheit im Gemeinderat, der über Baugenehmigungen, Grundstücksverkäufe und Infrastrukturprojekte entscheidet, hat er indes schon nach der ersten Wahlrunde verloren.
Illegales Zubetonieren
Sollte das Ergebnis am Sonntag unangefochten bleiben, ist eines sicher, und zwar egal wer von den beiden Kandidaten gewinnt: Die Politik der Einschüchterung, des illegalen Zubetonierens der Küste, der Demolierung des Lebens zugunsten massentouristischer Bewirtschaftung der Landschaft, wie wir sie hier bisher kannten, wird ein Ende haben. Zumindest vorläufig und zumindest in dieser Gemeinde.
Sie zählt zu den reichsten, schönsten und korruptesten Kroatiens. Dass sich ausgerechnet hier, im konservativen und vervetterten Süden der Wind gegen die alten Eliten dreht, die sich seit der Unabhängigkeit des Landes vor über 30 Jahren die Taschen gefüllt haben, ist für viele überraschend. Für Anwohner*innen nicht ganz.
Vor zwei Jahren empfing nur zehn Kilometer von Baška Voda entfernt eine Bürgerinitiative die Abrissbagger mit Sekt und Blumen. Jahrelang hatte sie dagegen gekämpft, dass einer der politisch einflussreichsten Unternehmer Kroatiens die spektakulärste Naturbucht dieser Gegend zu einem Privatgelände für seine Villa umbaute. Als der Staat schließlich entschied, dem Tycoon die Türen einzutreten, die Bucht wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und den Magnaten einzubuchten, war das eine Ermutigung für andere, öffentlich ihre eigenen windigen Politiker zu kritisieren.
Einige werden jetzt sicher fragen: Schreibt diese Kolumnistin auch noch mal über was anderes als über diese drei Buchten, und wieso sollte uns das interessieren, wir wollen da doch eigentlich höchstens mal baden gehen?
Urteile ignorieren
Nun, eventuell wird in diesen drei Buchten deutlich, welche verheerenden Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen es hat, wenn niemand mehr dem Rechtsstaat vertrauen kann, weil der von populistischen Politiker*innen korrumpiert ist.
Dass nun eine neue Generation den kroatischen Staat wieder auf rechtlich sichere Füße stellen will, ist mir schon mal drei Kolumnen wert. Erst recht angesichts der gegenläufigen Entwicklung in den USA unter Donald Trump oder in Deutschland unter Alexander Dobrindt, die beide die Urteile ihrer Gerichte ignorieren.
Ich hoffe im Sinne der Bürger*innen der drei Buchten und der taz-Leser*innen, dass wir am Sonntag mit den dalmatinischen Lokalwahlen vorläufig durch sind und nicht noch neun Runden und neun Kolumnen brauchen, bis die Opposition hier die Chance bekommt zu beweisen, dass es auch anders geht.
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