Doping im Pferdesport: Spirit mit Extra-Sprit
Ein Außenseiter gewinnt das Kentucky Derby der dreijährigen Galopper, wird dann aber mit einer Schummelsubstanz erwischt.
M edina Spirit ist ein Wunderläufer. Der schwarze Hengst ist schneller als ein Moped. Und ein Schnäppchen war der heute dreijährige Vierbeiner obendrein. Als Einjähriger kostete der Vollblüter nur 1.000 Dollar. Sein jetziger Besitzer, der saudische Geschäftsmann Amr Zedan, kaufte ihn für 35.000 Dollar. Das war vordergründig eine gute Entscheidung, denn das Pferd erlief in seiner noch jungen Karriere schon über zwei Millionen Dollar. Zuletzt siegte der 12:1-Tipp beim überaus prestigeträchtigen Kentucky Derby, wofür ein Scheck im Wert von 1,86 Millionen Dollar an den Zedan-Rennstall unter der Leitung des Trainers Bob Baffert ging.
Dieser Sieg wird der Entourage nun aber wohl aberkannt, denn in einem ersten Test wurde eine verbotene Substanz im Blut des Pferdes entdeckt: Betamethason. Das ist ein Kortikosteroid. Es wirkt entzündungshemmend. Das Medikament unterdrückt den Schmerz in den Gelenken, was nicht nur Rennpferde belastbarer macht, sondern auch Radler auf großen Rundfahrten. Seit Jahrzehnten wird auch bei Pferden therapiert, was der Medikamentenschrank hergibt: Mal sind es Beruhigungsmittel, die verabreicht werden, mal Aufputsch- und Asthmamittel – oder eben die beliebten Entzündungshemmer.
Baffert scheint sich mit derlei Kuren auszukennen, auch wenn er jetzt in die Rolle des Unschuldslamms schlüpft und sogar böse Mächte am Werk wähnt. Baffert, der bekannteste Pferdecoach in den Staaten, eine Art Pep Guardiola des Rennsports, gilt als Legende. Mit dem Sieg von Medina Spirit am 1. Mai gewann der 68-Jährige sein siebtes Kentucky Derby und übertraf damit den Rekord von Ben Jones, der zwischen 1938 und 1952 etliche Trophäen sammelte.
Historie des Betrugs
Baffert, der ein Gestüt in Churchill Downs in Louiseville/Kentucky führt, sagte in einer Pressekonferenz vor seinen Stallungen: „Ich war total schockiert, als ich diese Nachricht hörte. Es mag Probleme im Rennsport geben, aber es ist nicht Bob Baffert.“ Wirklich? In den vergangenen vier Jahrzehnten sind Bafferts Pferde durch 30 Drogentests gerasselt, auch im letzten Jahr erwischte es ein paar Gäule, etwa Gamine mit einem Entzündungshemmer. Baffert kam bisher immer recht glimpflich davon.
Strafen wurden zumeist in Geldbußen im vierstelligen Dollar-Bereich umgewandelt, was vielleicht auch am unübersichtlichen Sanktionssystem in den USA gelegen hat. Jene 38 Staaten, in denen Pferderennen ausgetragen werden und die den Medikamentenmissbrauch kontrollieren, greifen auf unterschiedliche Regularien zurück, doch eine Vereinheitlichung wurde jüngst vom US-Senat unter dem Punkt „Horseracing Integrity and Safety“ beschlossen.
„Ich habe keine Ahnung, woher es kommt. Wir können nicht glauben, dass es dort drin ist“, kommentierte Baffert den Dopingfund im Pferd und deutete an, dass es Neider gebe, die ihm Böses wollten. Neidhammel gibt es gewiss einige, denn der Pferdeflüsterer hat es immerhin geschafft, zwei seiner Pferde zum Gewinn der Triple Crown zu bringen: 2015 American Pharoah und 2018 Justify.
Die Triple Crown darf sich aufsetzen, wer mit ein und demselben Pferd die drei wichtigsten Galopprennen in den USA gewonen hat, also das Kentucky Derby, Belmont Stakes und Preakness Stakes; letzteres steht jetzt am Wochenende an. Ob Medina Sprit daran teilnehmen kann, hängt vom Ergebnis der B-Probe ab – oder deren Interpretation durch die Kontrolleure. Schafft es Baffert erneut, mit einem blauen Auge davonzukommen oder ist man angesichts der Häufung der Vergehen geneigt, ein Exempel zu statuieren? Eine deutliche Reaktion wäre vonnöten, um zu signalisieren, dass der Tierschutz über dem Ehrgeiz der Eigner steht.
Dass es im Pferdesport ein systemisches Dopingproblem gibt, darauf verweist auch der Fall des Muhammad Al Maktum aus Dubai. 2013 entdeckten britische Zollbehörden am Flughafen London Stansted illegale Substanzen für den Reitsport in einem Flugzeug aus Dubai. 18 Rennpferde in den britischen Stallungen von Al Maktum wurden positiv auf verbotene Steroide getestet. Medina Spirit ist nicht allein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung