Dokumentation über CDU-Vorsitzenden: Niemand will Merz umarmen
Eine NDR-Doku beleuchtet die sogenannte Merz-Strategie. Steckt da mehr hinter als die üblichen Worthülsen wie „Grundwerte“ und „Leitkultur“?
P olitik, sagt ein schlauer Mensch nach der Filmvorführung, müsse heutzutage die Menschen umarmen. Mit rein inhaltlicher Programmatik oder gar Technokratentum komme keine Politiker*in mehr weit. Womit wir beim Kern des Films und des Problems wären, nämlich Friedrich Merz.
Zwei Jahre lang haben Ben Bolz, Philipp Grüll, Johannes Lenz und Lucas Stratmann für den NDR und den BR Merz und andere CDU-Menschen begleitet. Herausgekommen ist dabei „Die Merz-Strategie – Wohin steuert die CDU?“ und eine klare Erkenntnis: Von Merz möchte sich niemand umarmen lassen.
Was dem CDU-Vorsitzenden vermutlich auch recht ist. Mit Gefühlen hat er es nicht so. Und selbst im heimatlichen Sauerland kommt ihm gerade mal ein „Da hab ich auch Freunde außerhalb der Politik, da ist meine Frau berufstätig“ über die Lippen.
Dass CDU auch anders geht, dafür steht im Film (ab Freitag in der ARD-Mediathek und am 29. April um 20.15 Uhr im Ersten) die stellvertretende Parteivorsitzende Karin Prien, im Hauptjob Bildungsministerin von Schleswig-Holstein. Prien gehört zum linken CDU-Flügel, der momentan eher mal nichts zu melden hat, und nennt sich selbst „Merkelianerin“.
Zu Merkel hat Merz ein ganz spezielles Nichtverhältnis, was die Doku sehr hübsch einfängt: „Wir schreiben uns zu Weihnachten und zum Geburtstag. Wenn wir uns treffen, sind wir freundlich zueinander“, sagt ihr Nachfolger an der Parteispitze.
Schwammiger als beim dicken Kohl
„Sehr authentisch“ komme sein Chef im Film rüber, meint CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann beim anschließenden Filmgespräch. In der Doku kämpft er um ein „neues Narrativ“ für seine Partei: „Wir brauchen wieder ’ne tolle Erzählung für die CDU und Punkte, die uns wirklich von anderen unterscheiden.“
Davon ist, Merz-Strategie hin oder her, nicht gerade viel in Sicht. „Grundwerte“ und „Leitkultur“ werden betont, bleiben aber noch schwammiger als beim dicken Kohl. Dafür sitzt in Düsseldorf Hendrik Wüst und lächelt sibyllinisch, wenn er gefragt wird, ob er nicht auch Kanzler könnte. Die Doku offenbart auch eine große Lücke.
Der Osten und die AfD kommen eher mal am Rande vor. Für diesen irre wichtigen Komplex ist in der „Merz-Strategie“ Johannes Fiolka, CDU-Vorsitzender des sächsischen Stadtverbandes Großenhain, zuständig. Fiolka darf dann auch drei ziemlich wertkonservative Sätze sagen, das war’s dann schon.
Mit dieser westzentrierten Sicht liegen die Doku wie die CDU kurz vor der Europawahl und wenige Monate vor den noch entscheidenderen Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen seltsam schräg. „Wer berät denn die CDU, um nicht zu menscheln und Vertrauen zu gewinnen“, wundert sich die Mitbewohnerin. Niemand muss sich gleich in die Arme fallen. Aber ein bisschen sollte der Hamburgmünchnerberlinmitte-Blick schon übers Brandenburger Tor hinausgehen.
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