Dokumentarfilm „Code of Survival“: Was die Rinder lieber futtern
„Code of Survival“ wirft die Frage auf, wie wir in Zukunft anbauen. Der Dokumentarfilm ist ein Plädoyer für den biologischen Landbau.
Trotzig-stolz ragen Heerscharen von Weißem Fuchsschwanz auf dem Feld empor. Wo eigentlich genmanipulierter Mais wachsen sollte, wächst nur noch das Unkraut, das sich als immun erweist gegen alle Chemiekeulen. Dazwischen: steinharter, ausgelaugter Boden. Ganz anders sieht der Boden im Teegarten Ambootia in dem indischen Distrikt Darjeeling aus: locker, fluffig rinnt er beim Graben durch die Hände des Bodenberaters.
Die Aufnahmen des Bodens, auf dem der jeweilige Anbau erfolgt, gehören zum Eindrucksvollsten an „Code of Survival“, dem Dokumentarfilm von Bertram Verhaag. „Code of Survival“ wirft die Frage auf, wie wir in Zukunft das Essen angebaut wissen wollen, dass wir essen.
Bertram Verhaag ist eine Institution des kritischen Dokumentarfilms. Schon bald nach seinem Studium an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen 1972 wandte sich Verhaag zusammen mit seinem Mitstreiter Claus Strigel erst der kritischen Auseinandersetzung mit der Kernkraft und später mit industrieller Landwirtschaft und Gentechnik zu.
„Code of Survival“ zeigt vier beeindruckende Beispiele biologischer Landwirtschaft: die Demeterfarm Sekem in Ägypten, den Teegarten Ambootia, eine Rinderzucht in den USA und einen Schweinehof in Bayern. Diesen vier Beispielen stellt er die Arbeit eines Farmers aus den USA gegenüber, der voller Zufriedenheit genmanipulierten Mais anbaut. Verhaag verleiht der Kritik am massiven Chemieeinsatz beim Anbau von genmanipuliertem Saatgut zusätzliches Gewicht durch Gespräche mit der britischen Wissenschaftlerin Jane Goodall. Das stärkste Plädoyer halten jedoch die Bilder der Landschaften, in denen die Landwirtschaft betrieben wird. Die Mondlandschaften der industriellen Landwirtschaft stehen den Bildern saftigen Grüns gegenüber, das die Sekemgemeinde selbst auf den dürren Böden Ägyptens zustande bringt.
Nicht nur bio, sondern biologisch-dynamisch
Fast alle der Biobauern berichten von ihren anfänglichen Zweifeln und dem Befremden, dem sie begegneten. Eines der eindrucksvollsten Beispiele stammt jedoch vom amerikanische Rinderzüchter Howard Vlieger, der berichtet, dass er anfangs seine Rinder zwischen genmanipuliertem und konventionellem Getreide als Futter wählen ließ und sich die Rinder nach kurzem Schnuppern einhellig für das konventionelle Futter entschieden. Sanjay Bansal, Besitzer des Teegartens Ambootia, erzählt davon, wie sein Vater ihn für verrückt erklärte, als er den Teegarten nicht nur biologisch, sondern schließlich sogar biologisch-dynamisch betrieb.
„Code of Survival“. Regie: Bertram Verhaag, D 2016, 97 Min.
Die Verbindung von wissenschaftlich grundierten Zweifeln an der Unbedenklichkeit genmanipulierter Lebensmittel verträgt sich in Verhaags Film nicht allzu gut mit dem Bejubeln biologisch-dynamischer Anbaumethoden. Wissenschaftlich betrachtet sind Letztere zwar sicher nicht schädlich, aber die Wirkung angeblich „aktiven Wassers“ und so weiter sind wissenschaftlich nicht belegbar. Indem Verhaag die beiden Seiten der Gegenüberstellung auf unterschiedlichen Ebenen behandelt, zerbröselt ihm die Diskussion über den Komplex industrielle Landwirtschaft, genmanipuliertes, lizensiertes Saatgut und massiver Chemieeinsatz zu einem Häufchen moraliner Empörung. Die Argumentation fällt hinter alles zurück, was rund um die Diskussion um die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat an kritischem Journalismus zu hören, sehen und lesen war. Angesichts dessen fällt es bisweilen schwer, die Ästhetik des Films hinzunehmen. Verhaag hatte leider immer wieder die schlechte Idee, die schlichten, aber teilweise doch eindrucksvollen Bildern an in seinen Augen entscheidenden Stellen durch die Filmmusik zu überhöhen: Kuhhörner mit Dung drin – tata!
Verhaag wäre besser beraten gewesen, seine Argumentation hinsichtlich der Gentechnik in der Landwirtschaft mit mehr Fakten und weiteren Beispielen zu unterlegen oder den Film gleich als reines Plädoyer für die biologische Landwirtschaft anzulegen. Sein Porträt einiger Pioniere der biologischen Landwirtschaft ist auf angenehme Weise empathisch, zeigt, wie anfängliche Probleme gelöst wurden. Die Bilder der Biodiversität im niederbayerischen Herrnsaal, wo der Schweinehof von Franz Aunkofer liegt, dürften jeden Skeptiker von den Vorzügen biologischer Landwirtschaft überzeugen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!