Doku über die Zukunft des Journalismus: Gedrucktes als Zeitverschwendung

Die Arte-Dokumentation „Die virtuelle Feder“ bietet einen guten Überblick in der allgemeinen Kaffeesatzleserei zum Medienwandel.

Findet, das Internet sei „wie gemacht für boulevardeske Inhalte“ – und fühlt sich dort entsprechend wohl: Kai Diekmann. Bild: arte/La Migration Numerique

Einen Dokumentarfilm zu produzieren, kann durchaus ein, zwei Jahre dauern, in manchen Fällen noch länger. Ob dieses Genre gut geeignet ist, um den rasanten Medienwandel zu beschreiben, diese Frage stellt sich bei dem Film „Die virtuelle Feder“: Wird man heute den turbodynamischen Entwicklungen in der Medienwelt gerecht mit einer Dokumentation, die 2011, überwiegend 2012 und zu kleinen Teilen 2013 entstanden ist?

Andererseits: Das Niveau der Kaffeesatzleserei zur Zukunft des Journalismus ist in den letzten Jahren kaum gestiegen. Es stellen sich immer noch dieselben großen Fragen, zum Beispiel, ob es gelingen wird, im Netz „Bezahlgewohnheiten zu etablieren“, wie es Springers Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner in dem Film formuliert. Falls ja, sagt er, habe der Journalismus eine „grandiose Zukunft“ vor sich, sagt er. Tja, wenn.

Die Autoren Marie-Eve Chamard, Pierre-Olivier François und Philippe Kiefer haben mit Redakteuren und Managern in Frankreich, Großbritannien, USA, Deutschland und Indien gesprochen. Sie berücksichtigen große Zeitungen wie Le Monde und den Guardian – „eine gedruckte Zeitung herausbringen zu müssen, ist heute fast Zeitverschwendung“, sagt dessen Redakteur Jon Henley – ebenso wie regionale Blätter wie The Journal News, eine Zeitung, die in New Yorker Vororten erscheint und für deren Redakteure es selbstverständlich ist, dass sie Videos drehen und schneiden.

Die Auswahl der vier deutschen Interviewpartner krankt daran, dass gleich drei aus dem Hause Springer stammen. Neben Döpfner kommen Jan-Eric Peters, Chefredakteur der Welt-Gruppe, und Kai Diekmann, Bild-Chefredakteur, zu Wort. Letzterer sagt, das Internet sei „wie gemacht für boulevardeske Inhalte“. Heißt so viel wie: Zuspitzung und Unterhaltsamkeit gehen hier über alles. Leider hat Diekmann damit recht. Er reißt damit auch an, warum es Onlinejournalismus jenseits des Boulevards, zumindest unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, auch künftig schwer haben wird.

Dienstag, 21.30 Uhr, Arte: „Die virtuelle Feder“, Doku (F 2012) von Marie-Eve Chamard, Pierre-Olivier François und Philippe Kiefer.

Subventionsbetrachtung ohne Tiefgang

Die Autoren gehen hier aber nicht in die Tiefe. Dieses Manko zeigt sich auch an anderer Stelle: Louis Dreyfus, Geschäftsführer der Le-Monde-Gruppe, sagt, französische Tageszeitungen genössen „die höchsten Subventionen“ und würden „am wenigsten gelesen“. Als Zuschauer in Deutschland, wo es eine solche staatliche Presseförderung nicht gibt, fragt man sich dazu jedoch: Wie hoch sind die Subventionen denn? Und was sagen deutsche Experten dazu?

Trotz einiger Kritikpunkte: Als Überblick ist „Die virtuelle Feder“ gelungen, vor allem, was Informationen über kommende technische Entwicklungen angeht. Sei es der Einblick in die Firma Chartbeat, die die Technologie liefert, um das Leserverhalten in Echtzeit zu analysieren, sei es der Besuch im Forschungslabor der New York Times, dessen Gründer Michael Zimbalist sagt, die App einer Zeitung sei ja noch lange „nicht der Endpunkt“ in der Entwicklung digitaler Informationsprodukte.

Der Exjournalist Jens Rehländer schrieb in seinem Blog kürzlich, Journalisten übersähen „in ihren leidenschaftlich selbstreferentiellen Diskussionen“, dass die Krise in ihrer Zunft überhaupt kein Thema sei. Dieser Film könnte dazu beitragen, dass sich daran etwas ändert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.