piwik no script img

Doku über US-Bürger als DDR-AgentenKundschafter für den Frieden

Drei Überzeugungstäter, die erst Mitte der 90er Jahre aufflogen: Die TV-Doku „Honeckers letzte Spione“ zeigt US-Bürger, die für die DDR spionierten.

„Honni“ im Berliner Wachsfigurenkabinett. Bild: dpa

Sie waren so etwas wie das übrig gebliebene Kleingeld des Kalten Krieges. Neun Jahre nach dem Mauerfall werden drei US-Bürger im Oktober 1998 wegen Spionage zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie als Agenten für die DDR gearbeitet hatten. Kurt Stand alias „Junior“, seine Ehefrau Theresa Squillacote alias „Schwan“ und James Clark als „Professor“ erhielten hohe Strafen zwischen 12 und 21 Jahren Haft. Jahrelang waren sie als Kundschafter für die „Hauptverwaltung A“ des Auslandsnachrichtendienstes des Arbeiter-und-Bauern-Staates tätig gewesen.

„Junior“, „Schwan“ und der „Professor“ spionierten aus politischer Überzeugung. Sie sahen sich als „Kundschafter an der unsichtbaren Front“, glaubten an eine bessere, eine sozialistische Welt. Und das hatte einen Vorlauf: Kurt Stands Eltern, Hannelore und Maximilian, waren 1933 vor den Nazis nach Prag geflohen, fünf Jahre später emigrierten sie in die USA. Vater Maximilian, ein überzeugter Sozialist, stammte aus einem jüdischen Elternhaus in Leipzig. Er engagierte sich in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung, wurde bald zu einer der wenigen Quellen, über die die DDR in den Vereinigten Staaten verfügte.

Die Eltern waren es auch, die ein Treffen ihres Sohnes Kurt mit der Staatssicherheit arrangierten. Die Stasi rekrutierte „Junior“ und ließ ihn anschließend nach weiteren Kandidaten in Umfeld der US-Arbeiterbewegung Ausschau halten. So kamen der „Schwan“ und der „Professor“ ins Boot. Das ist – kurz zusammengefasst – der Inhalt der Dokumentation „Honeckers letzte Spione oder Junior und der Schwan“, die heute im RBB zum ersten Mal gezeigt wird.

Die Filmemacher Konrad Ege, Daniel und Jürgen Ast verfolgten das Schicksal der drei Spione seit deren Festnahme 1997. Sie trafen Kurt Stand und James Clark nach deren Entlassung (Theresa Squillacote ist noch inhaftiert), sie suchten den Führungsoffizier Lothar Ziemer auf, sie sprachen mit Verwandten und Freunden. Mit darunter: die amerikanische Folklegende Pete Seeger; die Autoren hatten vergangenes Jahr mit Seeger ein letztes Interview vor seinem Tod geführt.

Sie erzählen eine ungewöhnliche Geschichte. Eine Agentenstory, aber keinen Thriller, wie der RBB in seiner Ankündigung zu Recht schreibt: „Eine Geschichte von großen Idealen, zerstörten Hoffnungen und Verrat.“ Darüber hinaus ist die Doku auch ein deutsch-amerikanisches Drama, das über den Umweg der DDR-Spionage die Geschichte der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten erzählt.

Dann eben für andere Mächte

Der Fall des Agententrios hat auch Züge einer Tragödie: Mit dem Fall der Mauer werden die drei Spione in ihrem Hauptmetier arbeitslos. Sie mühen sich nun bei anderen Geheimdiensten um Weiterbeschäftigung. Noch mindestens bis April 1995 halten sie Kontakt zu ihrem früheren Führungsoffizier. Der war nach der Wende schon einmal verurteilt worden, weil er nach Auflösung der Stasi seine Dienste dem KGB angeboten hatte.

Der Film

Die Doku „Honeckers letzte Spione oder Junior und der Schwan“ läuft am Dienstag um 22.45 Uhr im RBB.

Im Juni 1995 schreibt Squillacote einen Brief an einen hohen südafrikanischen Regierungsbeamten und bekannten Funktionär der Kommunistischen Partei. Ihr Angebot, künftig für Südafrika zu spionieren, übergibt der Mann seinen Vorgesetzten, der es an die amerikanischen Behörden weiterreicht.

Das FBI stellt den dreien eine Falle. Ein US-Fahnder gibt sich als Abgesandter des südafrikanischen Dienstes aus, heuchelt Interesse. Squillacote prahlt bei einem anschließendem Treff mit ihrer nachrichtendienstlichen Erfahrung: „Ich habe eine Geschichte. Ich machte das seit 17, 18 Jahren.“ Ungefähr so lange sitzt sie seither in Haft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was, nur drei? War die Rosenholz-Datei so kurz?