Disziplinarrecht soll verschärft werden: Angemessen und verhältnismäßig
Die Innenministerin will extremistische Beamt:innen schneller loswerden. Das ist keine Rückkehr zu den Berufsverboten der 1970er Jahre.
![Nancy Faeser schaut nach rechts Nancy Faeser schaut nach rechts](https://taz.de/picture/5972390/14/31742859-1.jpeg)
Innenministerin Nancy Faeser hat schon einen Gesetzentwurf in der Schublade. Sie will extremistische Beamt:innen schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen. So will sie auf die bekannt gewordenen Umsturzpläne aus dem Reichsbürgermilieu reagieren, an denen auch Polizist:innen, Soldaten und eine Richterin beteiligt waren. Früher – als es noch vor allem um linke Lehrer:innen und Briefträger:innen ging – hätte man gesagt: Faeser will Berufsverbote erleichtern.
Für die konkreten Fälle ist die Verschärfung wohl kaum erforderlich. Wer sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, eventuell sogar an einem Hochverrat, wird natürlich auch jetzt schon aus dem öffentlichen Dienst entfernt. Es geht eher um die Fälle im Vorfeld: Beamt:innen, die sich zunehmend radikalisieren. Und es geht um das Vertrauen der Öffentlichkeit. Wir sollen uns darauf verlassen können, dass Polizist:innen und Lehrer:innen im Staatsdienst die Menschen nicht gedanklich nach völkischen Kriterien sortieren.
Der Kern von Nancy Faesers Vorschlag: Nach schweren Dienstvergehen sollen Beamt:innen von den Behörden selbst aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden können. Bisher konnte die Disziplinarbehörde nur einen Antrag stellen, und die Entscheidung darüber traf ein unabhängiges Verwaltungsgericht.
Es geht hier also gar nicht so sehr um den Schutz der Bürger:innen. Denn vorläufig suspendieren kann man verdächtige Beamt:innen auch heute schon. Es geht hier vor allem um Beschleunigung. Der Staat soll schneller klarstellen, wer den Beamtenstatus verwirkt hat, weil er nicht voll hinter dem universellen Wert der Menschenwürde, hinter den Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat steht. Das ist sinnvoll. Bisher dauerte es oft unerträglich lang, bis ein erstes konkretes Ergebnis feststand.
Faesers Modell ist nicht völlig neu. In Baden-Württemberg wird schon seit 2008 so verfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat die baden-württembergische Praxis auch schon geprüft und 2020 akzeptiert – weil der geschasste Beamte oder die Beamtin ja anschließend selbst gegen seine oder ihre Entlassung klagen kann. Selbst CDU/CSU und FDP dürften gegen den Vorschlag Faesers wohl keine Einwände haben. Denn sie haben 2008 in Baden-Württemberg gemeinsam regiert.
Es ist dabei wichtig festzustellen, dass es sich hier eben nicht um eine Beweislastumkehr handelt, wie Ministerin Faeser einmal in einer ungeschickten und missverständlichen Äußerung nahelegte. Es geht lediglich um eine Änderung im Verfahrensablauf. Auch künftig muss der Staat beweisen, dass der Beamte nicht (mehr) verfassungstreu ist. Es wird auch keine Regelabfrage beim Verfassungsschutz eingeführt.
Eine Rückkehr zu den Berufsverboten der 1970er Jahre ist also bislang – und zu Recht – nicht geplant. Auch wenn es heute vor allem gegen Rechtsextremist:innen geht, sollte der Staat immer die Verhältnismäßigkeit beachten.
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